Montag, September 17, 2007

Hollywood - Liebe unerwuenscht

B"H

Am ersten Feiertag von Rosh HaShana, am vergangenen Donnerstag, nahm ich an einem relig. Programm in der Jerusalemer Altstadt teil. Ziel der Organisatoren (u.a. die amerik. Yeshiva Aish HaTorah und das kostenlose Hostel Heritage House) ist es, nichtreligioese Juden fuer das orthodoxe Judentum zu begeistern. Nicht, das es sich hierbei nur um reine Gehirnwaesche handele, sondern vielmehr darum, Einblicke in die Thora und das relig. Leben zu vermitteln.

All das sind sehr gute Ansatzpunkte, doch schlaegt die Uebermittlung oft fehl, denn es fehlt an qualifiziertem Personal. Nicht jeder laesst sich von einem Neureligioesen und dessen Stories begeistern und fuehlt sich nur allzu oft ueberrumpelt. Religioes werden ist ein Prozess und kann nicht immer gutgehen, wenn ich morgen in der Yeshiva sitze und naechste Woche einen Haredi (Ultra - Orthod.) heirate.

Was mir persoenlich am Programm gefaellt, obwohl ich kein Neuankoemmling mehr bin, sind die Pausen und Erklaerungen waehrend des Synagogendienstes. Es ist eine gute Idee etwas relig. Abwechselung in den G - ttesdienst zu bringen und nicht nur alle starr vor sich hinbeten zu lassen. Jedem Teilnehmer ist freigestellt, weiter in der Synagoge zu sitzen oder an einem Shiur (Vortrag) teilzunehmen.
Das Programm wird gemaess haredisch - litvisher Tradition gefuehrt.

Einer der Rabbiner erwaehnte bei einem seiner Vortraege einen Punkt im orthodoxen Judentum, dem ich persoenlich absolut nichts abgewinnen kann. Man mag mit mir uebereinstimmen oder nicht, aber solche Ansichten lassen es mich jedesmal grausen. Nicht nur dieser eine Rabbiner gab sein Statement dazu ab, nein, ich hoerte die Aussage schon von unzaehligen anderen.

Es geht um das Thema Liebe, Ehe und Beziehungen im orthodoxen Judentum und so, wie es der Rabbiner waehrend des Programmes an sein Publikum uebermittelte, schreckte es gewiss viele Leute ab.
Hollywood - Liebe sei oberflaechlich und keine Basis fuer eine ernsthafte Beziehung von Dauer. Man verknallt sich aufgrund von Schoenheit oder zeitweiliger gegenseitiger Attraktivitaet und nach wenigen Wochen, Monaten oder Jahren laesst die Attraktion nach und daraus folgt automatisch das AUS der Beziehung.
Im orthodoxen Judentum machen wir alles anders, so der Rabbi. Wir schauen nicht auf die Aeusserlichkeiten einer Person, sondern untersuchen, ob seine Lebenseinstellung und seine Lebensziele mit den meinen zu verbinden sind.

Hierzu muss ich einiges etwas naeher erklaeren, was der Rabbi bei den Newcomern leider unerwaehnt liess.
In religioesen Kreisen wie bei den Nationalreligioesen sowie auch bei den Haredim (Ultra - Orthod.) ist es unueblich, wenn nicht unmoeglich, seinen Partner irgendwo auf der Strasse kennen zulernen. Man sitzt nicht im Bus und nimmt Augenkontakt auf oder spricht einfach so jemanden an. Stattdessen wird zu diversen Ehevermittlern, Shadchanim genannt, gegangen. Der Shadchan schaut in seiner Kartei nach und wenn er meint, dass jemand zu mir passt, ruft er denjenigen an und derjenige ruft dann wiederum die Frau an. Niemals ruft die Frau einen ihr fremden Mann an.

Am Telefon also beginnt der allererste Kontakt und grundsaetzlich geht es in dem Gespraech nur um ein mehr als oberflaechliches Kennenlernen. Wer bist du und was machst du….., so in der Art. In den meisten Faellen wird ein persoenliches Treffen an einem oeffentlichen Ort vereinbart, vorausgesetzt das Telefongespraech verlief positiv. Persoenliche Orte sind Parkbaenke und insbesondere natuerlich Hotellobbies und Restaurants.

Wichtig ist zu beachten, dass diese Treffen bei Nationalreligioesen oft anders gehandhabt werden als bei Haredim. Bei litvishen Haredim wieder anders als bei Chassidim. Bei Nationalreligioesen kann es wesentlich offener zugehen, bei Chassidim dagegen werden viele Partnerschaften von den Eltern vereinbart und die Treffen finden in deren Wohnzimmer statt. Unter der Aufsicht aller.
Aber ich will hier vorerst nur auf den Regelfall eingehen und nicht auf kompliziertere Ausnahmen.

Ich habe viele viele Freunde, die bei solchen Treffen mit einem Shidduch (potentieller Ehepartner) waren und hoerte immer wieder, dass jedes Treffen ungeschriebene feste Spielregeln hat.
Beim ersten Treffen geht es ganz formell zu, denn man muss ja erst einmal schauen, wer da so kommt. Wenn sich getroffen wird, dann wird ein Kaffee etc. getrunken und niemals etwas zu Essen bestellt. Ueblich ist, dass der maennliche Part zahlt, es sei denn, die Frau besteht ausdruecklich auf eine getrennte Rechnung.
Gesprochen werden ueber die jeweiligen Lebensziele und was der Mann so lernt und wo. Das Gespraech dauert in der Regel ca. eine Stunde oder weniger. Findet man aneinander Gefallen, wird ein weiteres Gespraech vereinbart, falls nicht, wars das.

Normalerweise trifft man sich vier bis fuenf Mal und faellt dann eine Entscheidung. Manchmal mehr, manchmal weniger. Das kommt auf jedes Paar selber an.
Natuerlich sind bei solchen Treffen die Kinder ein Thema. Will eine Partei zehn Kinder und die andere nur drei, dann gibt es ein Problem.
Eines sei hier gesagt, die Gespraeche verlaufen nicht gemaess der Romantik. Nein, es wird Tacheles geredet. Wo siehst du dich in zehn Jahren und wo stehe ich. Es ist ein Business und kein romatisches Kerzenbeisammensein. Auch Geld spielt eine Rolle, eine sehr wichtige Rolle sogar, denn Hochzeit, Wohnung und Moebel muessen erst einmal bezahlt sein. Ein gemeinsames Lebensziel lautet das Motto und nicht der Traumpartner aus dem BRAVO - Heft.
Tausendmal hoerte ich schon, dass Liebe spaeter komme. Liebe vor der Ehe sei nie gut und nie von Dauer. Nach der Hochzeit folgt der unerbittliche Alltag und da verfliegen jede romantischen Gefuehle.

Nicht, dass ich unbedingt der dahinschmelzende Hollywood - Typ bin, aber persoenlich koennte ich mir eine solche Zweckgemeinschaft nicht vorstellen. Immerhin handelt es sich um Individuen und keine Handelsware, die man eben mal so hin und herschiebt.
Die Romanautorin Naomi Ragen, welche in ihrem neuesten Buch die Missstaende in der nationalrelig. Gesellschaft anprangert, schreibt, dass in der relig. Gesellschaft der Mann die Frau wie ein Elektrogeraet benutzt. Braucht er es nicht mehr, schaltet er es einfach ab. Die Ansicht halte ich fuer uebertrieben und wenn, dann trifft dies sicherlich nicht nur auf Religioese zu.

Heiraten ganz ohne Liebe kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen, denn eine Ehe sollte noch etwas mehr beinhalten als eine gegenseitige Vertragserfuellung. Wer dagegen mit dieser Form der Eheanbahnung zufrieden ist, dem wuensche ich alles Gute und viel Erfolg.

6 Kommentare:

  1. Etwas ganz wichtiges ist bei deinem Bericht über Shidduchim untergeganen:
    Die Sympathie. Wenn alle anderen Dinge( Familienhintergrund, Bildung etc.) stimmen und man sich sympathisch ist, kann man eine Fortsetzung wagen.
    Je älter man wird, desto schwieriger wird das Ganze, da die Ansprüche an den Partner meist auch steigen.
    Bei den ganz jungen Charedim klären die Eltern zuerst die wichtigen “ Nebensachen“ wie Geld, Wohnung,etc. ab, so können sich die Jungen dann aufs Wesentliche besinnen.
    Die Chemie sollte schon(auch) stimmen, damit die Liebe dann wachsen kann.

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  2. B"H

    Ich schaetze einmal, dass sich die Sympathie schon aus dem ersten Treffen ergibt. Jedenfalls in den meisten Faellen.

    Klar, gibt es Unterschiede bei den Treffen von jungen Leuten und etwaigen Geschiedenen oder Aelteren Semestern.
    Ein Bekannter von mir, Geschieden und 47 Jahre alt, meinte zu mir, dass ALLE Frauen ihn zuerst nach dem Bankkonto fragen.

    Bei Juengeren erklaeren die Eltern, was eine Rolle zu spielen hat, da hast Du recht. Aber gerade die Juengeren sind unerfahren und werden oft von ihren Eltern in etwas hineingeredet. Beispiel: Der oder diejenige ist das Kind eines beruehmten Rabbis etc. Da bleiben dann viele Sympathien vorerst auf der Strecke.

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  3. Also , ich wünsch dir einen guten Shidduch in diesem Jahr. ( Falls du das möchtest)
    Man muss ja nicht immer zur Shadchanit gehen, man kann auch Bekannte fragen oder seinen Rav.
    Kol tuv und ein gebenschtes Jahr
    sowie - gmar chatima tova.

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  4. B"H

    @Rachel

    Das Gleiche an Dich und Gmar veChatimah Tova.

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  5. Danke, Miriam, bin schon “unter der Haube“.
    Aber noch nicht alle von meinen Jungen.

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