Mittwoch, September 10, 2008

Die Demo vor dem Schuhgeschäft




B"H

Als ich gestern abend durch den ultra - orthodoxen Stadtteil Ge'ulah (Jerusalem) lief, las ich zuerst einmal alle neuen Mitteilungsposter an den Häuserwänden. Diese Poster werden im einheimischen Slang "Fakshivilim" genannt.

Nach dem Lesen sah ich eine kleinen Menschentraube neben der Kreuzung Kikar Shabbat (Schabbatplatz) stehen. Wenn ich meinen regulären Weg fortsetzen wollte, muß ich durch die Menschentraube hindurch.

Bei der Menschenansammlung handelte es sich um verschiedene Haredim (Ultra - Orthod.), die entweder gebannt auf ein Demoplakat oder hinunter in den sich dort befindenden Schuhladen für Damen starrten. Ein junger Litvak (Haredi) stand dort mit einem selbstgebastelten Schild, auf welchem geschrieben stand, dass irgendwelche Rabbiner von einem Besuch des besagten Schuhgeschäftes abrieten. Jemand aus der Menge fragte lautstark, was denn hier los sei und der junge Litvak murmelte etwas von wegen das Damenschuhgeschäft lasse auch Männer hinein. Zum Beispiel Ehemänner, die ihre Frauen einfach zum Schuhekaufen begleiten.

In Mea Shearim und Ge'ulah ist es seit langem verpönt, in Bekleidungsgeschäften einzukaufen, welche männliche und weibliche Kundschaft hineinlassen. Der Gatte solle also seine Frau nicht mehr zum Kauf begleiten und umgekehrt. Wäre dies weiterhin der Fall, so täten sich viele haredische Frauen beim Kleiderkauf einfach nicht wohlfühlen, wenn da vor ihrer Umkleidekabine ein fremder Mann herumlaufe. Wie solle man da noch anständig anprobieren ?

Leider stand auf dem Plakat des Litvaks kein einziger Name eines Rabbiners. Eine Überraschung stellt solch eine Szene nicht mehr dar und wer einen haredischen Film drehen wollte, der kam zu dem gestrigen Ereignis gerade recht. Alles ohne Statisten und vollkommen live.

Schon seit einigen Jahren werden immer mehr Geschäftsinhaber dazu bewegt, Schilder auszuhängen, die entweder darauf hinweisen, dass die Kundschaft nur noch in anständiger Bekleidung den Laden betreten darf oder das gleich eine völlige Geschlechtertrennung stattfindet. Wer von den Inhabern sich weigert, den Anstandsanordnungen zu folgen, muß halt mit den Konsequenzen rechnen.

Wer steckt hinter allem und warum wurden schon vor knapp zwei Jahren mehrere Läden in Ge'ulah abgefackelt ?
Die haredische Gegend wird von einer kleinen superradikalen Gruppe heimgesucht, die sich selber die "Sikarikim" nennt. Sikarikim gab es schon zu Tempelzeiten und diese achteten hemmungslos darauf, dass die Halacha befolgt wurde. Widerspenstige oder Gegner wurden brutal niedergemetzelt.

Der Jerusalemer Polizei ist es bis heute nicht gelungen, die Mitglieder der Sikarikim zu ermitteln. Wie auch ? In Mea Shearim verpfeifft niemand den anderen bei der zionistischen Polizei. Ab und zu werden Razzien gefahren, doch wer die Zusammenhänge in Mea Shearim nicht kennt, der fängt auch keine Sikarikim.

Die ganze Szene vor dem Schuhladen jedenfalls kam mir schrecklich vor und erinnerte mich an den Nazi - Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933.



Hauptstraße Mea Shearims

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