Montag, Juni 29, 2009

Das Zudrücken der Augen eines Toten

B"H

Yael fragte neulich, ob ich nicht etwas zur "Sterbehilfe im Judentum" verfassen könne. Das Thema ist hochinteressant, aber genauso hochbrisant. Es bestehen unterschiedliche rabbinische Entscheidungen, wobei stets der Individualfall beeinflussend ist.

Im Talmud Traktat Schabbat 151b heißt es in der Mischna, dass derjenige, der die Augen eines Sterbenden zudrückt, ein Mörder ist.
Die Mischna meint mit ihrer vielleicht harsch klingenden Aussage, dass es sich hierbei um jemanden handelt, der einer gerade sterbenden Person die Augen zudrückt. In einigen Fällen mag der Sterbende noch gar nicht tot sein, doch seine Augen sind schon zu. Und derjenige, der dies vorzeitig unternimmt, wird als Mörder gesehen.

Der große Thora - und Talmudkommentator Raschi kommentierte seinerzeit, dass im Moment des Todes die allerkleinste Bewegung den Tod beschleunigen kann. Womit auch das Augenzudrücken gemeint sei. Wer einen Sterbenden vor sich hat und es mit demjenigen tatsächlich zuende geht, der sollte eine bestimmte Zeit nach dem Tode warten und dann der Leiche die Augen zudrücken (siehe den Rambam - Maimonides in seiner "Mischna Thora - Hilchot Aveil 4:5).

Die anschliessende Gemara (rabbinische Diskussionen) folgend der Mischna vergleicht den Fall mit einer flackernden Kerze. Obwohl die Kerze gleich ausgeht, besteht in ihr immer noch ein kleines Quentchen an Leben. Genauso sei es bei einem Sterbenden. Drückt man mit dem Finger die flackernde Kerze vorzeitig aus, so erlischt das Leben und auch hier sind Parallelen zum Sterbenden auszuweisen.

Allerdings bestehen unterschiedliche Interpretationen darüber, ob besagte Person in solch einem Fall wirklich als Mörder gilt und vor Gericht zu stellen ist. Einige Rabbiner sagen JA, andere wie der Radvaz, vertreten die Ansicht, dass die Mischna hier nicht wörtlich zu nehmen sei.

Warum aber finden wir diese Thema gerade im Talmud Traktat Schabbat und nicht woanders, wo es um den Tod geht ?


Im Talmud Schabbat (Seite 151b) geht es um die Frage, ob jemand am Schabbat einem gerade Verstorbenen die Augen zudrücken darf und die Mischna antwortet hier mit NEIN. Der Schulchan Aruch (Code of Jewish Law) - Yoreh Deah 352:4 legt fest, dass die Augen eines Verstorbenen vor der Beerdigung geschlossen werden.

Nur nebenbei bemerkt: Im Judentum finden Beerdigungen meist noch am selben Tage, an dem die Person verstarb, statt.

Raschi nennt den Grund, warum einem Verstorbenen am Schabbat die Augen nicht zugedrückt werden dürfen:
"Einen Körperteil eines Verstorbenen am Schabbat zu bewegen, kommt der "Mukzeh" gleich".

Bei der "
Mukzeh - Weglegen, beiseite geschafft" handelt es sich um gewisse Gegenstände, die ein Jude am Schabbat nicht benutzen darf. Zum Beispiel elektronische Geräte, Stifte, aber auch ein Haustier gehört in diese Kategorie.

Die Frage nach der Sterbehilfe im Judentum kann niemand so detailliert beantworten, doch vielleicht gab dieser Talmudausflug dem ein oder anderen eine Vorstellung davon, wie ernst der Tod im Judentum genommen wird. Auch heißt es an anderer Stelle, dass ein Mensch niemals die Hoffnung aufgeben darf. Selbst dann nicht, wenn ihm jemand ein Messer an den Hals setzt.

2 Kommentare:

  1. Anonym9:22 PM

    Ich frage jetzt nur, um besser zu verstehen, nicht um zu provozieren: Wenn eine Person am Schabbat stirbt, wird sie dann tatsächlich mit offenen Augen beerdigt? Oder wird in diesem Fall ein Nichtjude um diesen Dienst gebeten? Aber was, wenn kein Nichtjude in der Nähe ist? Geht dann der Schabbat wirklich über Pietät? Wonach richtet Ihr euch eigentlich, wenn, wie hier, zwei Bücher zwei verschiedene, sich widersprechende Anweisungen geben?

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  2. B"H

    Die Frage ist ganz einfach zu beantworten:

    Am Schabbat finden keine Beerdigungen statt !

    Wonach richtet man sich, wenn zwei Buecher zwei unterschiedliche Meinungen wiedergeben ?

    Ich weiss nicht, ob Du jetzt damit den Talmud und die Thora meinst oder ueberhaupt halachische Festlegungen.

    Normalerweise widersprechen sich Talmud und Thora nicht, wobei der Talmud so manches Thoragesetz detaillierter wiedergibt.
    Wenn Du, zum Beispiel, in die Thora schaust, wirst Du ueber Hochzeit oder Tieropferungen keine genauen Angaben finden. Wie man das genau praktiziert. Erst im Talmud findest Du spezifische Details wie etwas ausgefuehrt werden soll.

    Wohingegen der Talmud vollgepackt ist mit unzaehligen verscheidenen Ansichten der Rabbiner in der Gemara. Die Mischna ist das festgelegte Gesetz G - ttes und die Gemara sind die Diskussionen drumherum.
    Hierbei kommt es auf den jeweiligen Rabbiner der talmudischen Zeit an. Innerhalb der Gemera wird ebenso vielmals festgelegt, welcher Meinung zu folgen sei.

    Zum Beispiel gibt es dabei den beruehmten Fall des, ich glaube, es war Rabbi Eliezer, dessen Entscheidungen als nicht zutreffend gelten und anderweitige Entscheidungen verwendet werden.

    Ansonsten kommt es immer auf den Verfasser des Gesetzes an und welchem Brauch ich folge. Hierbei haben sephardische Juden sowie aschkenasische oftmals unterschiedliche Gesetze und Braeuche.

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