Die Rote Kuh
Photo: Temple Institute Jerusalem
B"H
Die Thoralesung für diesen Schabbat
In Israel wird an diesem Schabbat "nur" die Thoraparasha "Chukat" in den Synagogen gelesen, im Ausland hingegen gibt es, soweit mir bekannt ist, zwei Parashot zu hören"Korach und Chukat". Nachdem Israel und die Diaspora aufgrund von Schavuot (dem Wochenfest) zeitverschobene Thoraparashot am Schabbat lasen, erfolgen an diesem Schabbat in der Diaspora zwei Lesungen. Somit sind wir am kommenden Schabbat, dem 4. Juli, wieder auf ein und demselben Stand. Dann lesen Diaspora und Israel gemeinsam die Parashat Balak.
Zur Parashat Chukat:
Diese Thoralesung beginnt mit einem Paradox. Wahrscheinlich ist es das größte und berühmteste Paradox in der gesamten Thora und sogar der weise König Salomon (Shlomo HaMelech) verzweifelte an der Logik.
Normalerweise erklärte G - tt Moshe die Gründe und die Logik sämtlicher Thoragesetze, doch in der Midrasch lesen wir, dass als Moshe G - tt nach der Bedeutung der Parah Aduma, der Roten Kuh fragte, er keine Antwort bekam.
Die Parasha heißt Chukat und Chukat steht für Gesetze, die wir mit unserem eingeschränkten menschlichen Verstand nicht zu fassen in der Lage sind. G - tt trägt Moshe auf, eine Rote Kuh (Parah Adumah) ohne jegliche Schönheitsfehler zu finden und sie in einem bestimmten Ritus durch Priester (Cohanim) verbrennen zu lassen. Danach wird die Asche der Kuh mit Wasser vermischt und unreine Menschen sowie Tempelgegenstände (Geschirr) werden, nachdem sie mit dem Wasser in Berührung gekommen sind, wieder rein. Körperlich genauso wie in ihrer Seele (Neschama). Allerdings wird derjenige, der den Verbrennungsprozess ausführt, dadurch unrein. Und genau darin besteht das Paradox.
Wie kann etwas, was eigentlich rein (tahor) macht, andere wiederum unrein (tamei) machen ?
Hierzu gibt es viele Kommentare, doch eine erklärende Antwort haben wir nicht. Anscheinend soll uns diese Mitzwah (Gesetz) deutlich machen, dass unser menschlicher Verstand im Gegensatz zu G - ttes allumfassendes Wissen nur sehr eingeschränkt funktioniert. Nicht alles was G - tt tut oder entscheidet, liegt in unserer Kraft es auch logisch nachzuvollziehen. Die Logik ist vielleicht unser großes Problem, denn wir wollen alles logisch beantwortet haben und wehe dem, wenn es einmal nicht so funktioniert.
Die Mitzwah der Roten Kuh, selbst wenn sie uns unverständlich ist, dürfen wir laut der Gemara im Talmud Traktat Yoma 67b nicht kritisieren. Dort heißt es, dass dieses spezielle Gesetz von G - tt stammt und wir keinerlei Recht zur Kritik daran haben. Insgesamt wurden in der jüdischen Geschichte nur neun Rote Kühe verbrannt. Die erste in der Zeit Moshes und die letzte vor der Zerstörung des Zweiten Tempels. Es heißt, dass die zehnte Rote Kuh vom Meschiach verbrannt wird. Rabbi Zadok HaCohen von Lublin betrachtet die Mitzwah der Roten Kuh als Tikun (Reparatur der Seele) für das Goldene Kalb (siehe hierzu auch das Buch Noam Elimelech und die Tosafot).
Was ist die eigentliche Bedeutung der Mitzwot (Gesetze), die uns G - tt in der Thora aufgetragen hat ? Warum das alles ?
In der Chassidut wird als Hauptgrund angegeben, dass wir anhand der Erfüllung der Mitzwot eine Devekut (Nähe) zu G - tt erreichen. Wir können G - tt jedoch nur nahe sein, wenn wir uns in einem reinen Zustand befinden (Magen Avraham), wo wiederum die Rote Kuh mit ihrem Reinigungsprozess ins Spiel kommt. Einen sehr interessanten Kommentar zur Roten Kuh fand ich bei Rabbi Samson Raphael Hirsch. Rabbi Hirsch vergleicht die Roten Kuh und deren spätere Asche mit den zwei menschlichen Eigenschaften; der tierischen und der g - ttlichen. Die Tierische steht für die sogenannte "physical world" und die G - ttliche für die sogenannte "upper world". Unser weltlicher Körper, ausgedrückt durch die Kuh, wird sterben, aber unsere Seele (Neschama), ausgedrückt durch die Asche, wird für alle Ewigkeiten weiterleben.
Das Verbrennen der Roten Kuh mußte außerhalb des Lagers der Israeliten bzw. später zu Tempelzeiten außerhalb der Tempel stattfinden. In der Ära des Zweiten Tempels wurde die Kuh auf dem Ölberg verbrannt. In einer Prozession wurde die Kuh dorthin gebracht. Auf dem Ölberg angekommen wurde die Kuh mit einem Seil aus Bast so an einen Pfahl gebunden, dass ihr Kopf nach Süden und ihr Gesicht nach Westen gerichtet war. Der Priester (Cohen) stand in Richtung Osten und mit dem Gesicht nach Westen. Er schlachtete sie mit der rechten Hand und fing das ihr Blut mit der linken Hand auf (Talmud Parah, Mishna 9).
Seit der Zerstörung des Zweiten Tempels sind wir in der Ausführung unserer Mitzwot sehr eingeschränkt. Ca. 70 – 80 der ursprünglich 613 sind wir heutzutage in der Lage zu erfüllen. Alle weiteren bezogen sich auf den Tempeldienst und die Cohanim (Tempelpriester). Auch die Mitzwah der Roten Kuh gibt es derzeit nicht, sondern erst wieder nach dem dem Eintreffen des Meschiach.
Rote Kühen selbst sind vielen Wissenschaftlern ein Rätsel. Wie genau sahen die Kühe aus und wie kam es überhaupt, dass sie damals existierten und heute nicht ? Vor einigen Jahren glaubte man, in der Nähe von Haifa eine solche Rote Kuh entdeckt zu haben. Schon meinten viele, dass dann der Meschiach nicht mehr weit sei. Die Euphorie wurde jedoch schnell gedämpft, denn die Rote Kuh war nicht perfekt wie vorgeschrieben. Sie hatte einige schwarze Haare in ihrem ansonsten so roten Fell, was sie unkoscher für ein Verbrennen machte.
Der Parashainhalt der Roten Kuh, sowie der Tod von Miriam und ihrem Bruder Aharon sollten uns an diesem Schabbat etwas nachdenklich in bezug auf unser eingeschränktes Wissen und unsere Sterblichkeit stimmen.
Zu guter Letzt eine chassidische Story; eine Story von Rabbi Zusha von Anapoli (1718 - 1800), dem jüngeren Bruder des großen chassidischen Rabbiners Elimelech Weissblum von Lizhensk (Lejanks in Polen).
Einmal sagte Rav Zusha zu seinen Schülern:
"Wenn ich sterbe, wird mich G - tt nach meinem Tode nicht fragen - "Zusha, warum warst Du nicht so perfekt wie Avraham oder Moshe ?".
Was Er mich dagegen fragen wird ist - "Zusha, warum warst Du nicht Zusha ?"
Die Bedeutung ist, dass wir nicht immer auf andere und deren Potential schauen sollen. Stattdessen sollten wir uns lieber auf unsere Aufgaben und unser individuelles Potential konzentrieren. Was meines Nachbarn Aufgabe in dieser Welt ist, ist noch lange nicht meine.
Schabbat Schalom
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