Dienstag, Februar 16, 2010

Die deutsche Presse stürzt sich auf Aussteigergeschichten der haredischen Gesellschaft

B"H

Mehrere Leser machten mich darauf aufmerksam, dass "Der Spiegel" und vielleicht auch andere deutsche Medien Artikel zum Thema "Aussteiger aus der haredischen Gesellschaft" fahren. Hierzu gibt es auch etwas bei Chaim zu lesen.

Wie ich in X Kommentaren dazu bereits sagte: Wer die haredische Gesellschaft nicht kennt und derlei Stories nur aus finanziellem Kalkül heranzieht, der verursacht nichts weiter als den Hass auf die haredische Gesellschaft. Es ist unbedingt notwendig, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Als Jude und nicht unbedingt als Nichtjude. Im "Spiegel" erscheint es mir als wolle man mit den Inhalten nur Aufmerksamkeit erhaschen. "Sektenmässiges" kommt immer gut und die bekloppten fanatischen Haredim haben sie ja eh nicht alle. "Seht her, wie die leben und wie bescheuert die sind !"

Wenn in Israel ansässige deutsche Journalisten "arbeiten", dann schaut deren Tagesablauf so aus:

Sie werden von einer Nachrichtenredaktion in Deutschland angerufen und bekommen den Auftrag, einen Artikel zu einem bestimmten vorgegebenen Thema zu verfassen. Dann kommt der entsprechende Journalist ins Rotieren, denn Interviewpartner müssen her.
Woher nehmen, wenn man keinen kennt ?
Googeln ? Ja, klar, denn wie soll sonst der Artikel zustande kommen ?
Jemanden Professionelles befragen ?
Hinterher will der noch Provision oder so ! Nee, nee, lieber nicht.
Also dann schnell alleine was zusammengesucht. Der erstbeste Auskunftsfreudige, der antanzt, kriegt den Zuschlag.

Und genau so kommen fragwürdige Artikel und Dokumentarbericht zustande. Derjenige, der mit dem Thema zu tun hat und der die Gesellschaft kennt, schüttelt mit dem Kopf und der Leser bzw. TV -Zuschauer erhält dementsprechend falsche und einseitige Berichte.
Der einzig Glückliche ist der Journalist, denn er bekommt Cash und der Wahrheitsinhalt kann ihm doch scheissegal sein. Bis zum nächsten Artikel dann ihr ollen Medienkonsumierer !

So erging es mir selbst mehrere Male, nachdem ich mich mit derlei Journalisten traf, ihnen Infos gab und im Nachhinein einen nichtssagenden verhunzten Artikel im Internet fand.

6 Kommentare:

  1. Shalom,

    "Als Jude und nicht unbedingt als Nichtjude."

    100% richtig gesagt!! Ein Nichtjude hat sich nicht in rein innerjüdische Sachen einzumischen oder sie auch nur zu beurteilen.

    Wie Du schon schreibst, Haredim werden mit Sekten (lehavdil) verglichen. Das zeigt wenig Respekt und Wissen die Leute haben die sowas schreiben.
    Ich kann jeden Haredi verstehen der solche Leute wegjagt und ich unterstütze es voll und ganz.

    Früher war ich noch so dumm und habe Nichtjuden versucht etwas zu erklären, ihnen näherzubringen warum wir dies oder das tun.
    Bringt nichts, nur noch mehr Verwirrung. Dann wird man gefragt warum man den Shabbat hält, früher hab ich etwas erklärt, heute sage ich einfach nur das es von G-tt so bestimmt ist und fertig.
    Erklären und ausklären bringen rein garnichts, eher beschwichtigen und runterspielen.

    Am liebsten wäre ich heute weg und in einer haredischen Gemeinschaft, hat man seine Ruhe und kann Lernen.

    Joshua

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  2. B"H

    Vor allem mit Deinem letzten Satz stimme ich vollkommen ueberein !

    Ob es was bringt oder nicht ... Ich denke, dass er der nichtjuedischen Presse hier um Leserquoten und Geld geht. Da passiert etwas Exotisches in der haredischen Gesellschaft und man kann ungehindert drueber herziehene, eben weil Haredim die Artikel nicht lesen.

    In Israel gibt es genuegend Leute, die sich wichtig machen wollen und die Oeffentlichkeit geradezu suchen. Hierzulande ist mit solchen Stories kaum mehr ein Blumenpott zu gewinnen und da wendet man sich an die auslaendische Presse. Dass dann dort im Ausland der Hass gegen die Orthodoxen noch mehr wallt, ist den Publizitaetsuchenden schnurz. Hauptsache kurz in der Schlagzeile.

    Wenn ich tatsaechlich etwas zu sagen habe und etwas veraendern will, dann muss ich mich eben an jene Gesellschaft wenden, die mir nicht passt. Und wer einmal draussen ist, bewirkt eh keine Veraenderungen mehr.

    Dass Nichtjuden fragen, warum man den Schabbat haelt - Diese Erfahrungen habe ich auch gemacht. Als ob es hier darum ginge zu beweisen, dass das ja alles altes Zeug sei und man heute in der Moderne ist.

    Andererseits aber hat die deutsche Presse etwas gegen relig. Juden in Israel und sie werden staendig in negativem Licht von Journalisten dargestellt, die mit der Religion absolut nichts zu tun haben.
    Ferner sind Haredim den Deutschen nach dem Holocaust immer noch nicht gut gesinnt; mag sein, dass diese Tatsache den Hass der deutschen Presse noch schuert.

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  3. "Dass Nichtjuden fragen, warum man den Schabbat haelt - Diese Erfahrungen habe ich auch gemacht. Als ob es hier darum ginge zu beweisen, dass das ja alles altes Zeug sei und man heute in der Moderne ist."

    Exakt das meine ich! Jede aber auch jede Frage beinhaltet einen Vorwurf, direkt oder indirekt.

    "Andererseits aber hat die deutsche Presse etwas gegen relig. Juden in Israel und sie werden staendig in negativem Licht von Journalisten dargestellt, die mit der Religion absolut nichts zu tun haben. "

    Allgemein sind Deutsche Atheisten und absolut religionsfeindlich. Nichts darf man mit Religion begründen, das wird als Schwäche angesehen.

    "Ferner sind Haredim den Deutschen nach dem Holocaust immer noch nicht gut gesinnt; mag sein, dass diese Tatsache den Hass der deutschen Presse noch schuert."

    Kann gut sein, andererseits ist die deutsche Presse zu dumm um sowas überhaupt wahrzunehmen.

    Puls wieder auf 200 :)

    Joshua

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  4. Anonym9:06 AM

    Ich würde dieses Problem nicht als speziell jüdisch betrachten. Religiosität wird im Allgemeinen in unserer Gesellschaft abgelehnt, während Esoterik und sonstiger Humbug durchaus gesellschaftsfähig ist. Es ist modern, sich über alles religiöse lustig zu machen und auf diesen Zug steigen die Journalisten eben auf. Auch wenn das Interesse an Religiosität langsam wieder steigt, kann man mit diffamierenden Stories über fremdartiges Verhalten immer noch Einschaltquoten steigern. Der Zuschauer, der keine Ahnung von dem gezeigten hat, amüsiert sich und hat anschließend ein paar Vorurteile mehr.

    Ich persönlich halte ultraorthodoxe Juden durchaus für ernsthaft gläubige Menschen, auch wenn ich etwas anderes glaube. Was ich nich nachvollziehen kann, ist die Art der Bekleidung, die ja eigentlich aus Rußland stammt und mit dem eigentlichen Glauben wenig zu tun hat. So etwas gibt es aber auch im Christentum, z.B. bei den Amisch in den USA.

    Dieter L.

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  5. B"H

    Es mag sicher richtig sein, dass Religioese insgesamt als Spinner oder Fundamentalisten abgetan werden. Wenn es denn aber zum haredischen Judentum kommt, dann haben Journalisten im allgemeinen wenig bis gar keine Ahnung. Damit stehen deutsche Journalisten nicht ganz so allein, denn die israelisch - saekuleren sind nicht viel besser. Dennoch werden in den regulaeren hierisgen Medien auch die positiveren Seiten dargestellt und nicht alles durch den Schmutz gezogen. Wenn man denn einmal von den Attacken der Sarah Einfeld absieht; aber dabei denke ich, dass sie Aufmerksamkeit erhaschen will.

    Ebenso allgemein jedoch stellt die deutsche Presse relig. Siedler sowie Haredim fast immer negativ dar. Eben als Fundi - Spinner, die da noch im Mittlealter leben und die Realitaet nicht wahrhaben wollen.

    Warum berichtete in Deutschland niemand ueber meine ehemalige WG - Mitbewohnerin, die da aus einer streng katholischen Familie in Unterfranken stammte und deren zwei Brueder hoehere Posten innerhalb der Kirche innehaben ? Sie selber ist nicht relig. geblieben und geht nicht in die Kirche.
    Irgendwie ist sie auch ausgestiegen, ber derlei Stories interessieren niemanden. Da kommen diverse Sekten, christl. Freikirchler und haredische Juden gerade Recht. Da steckt noch Exotik dahinter und das laesst sich verlaufen. Ob dem allem so der Wahrheit entspricht, kann in Deutschland niemand nachvollziehen.

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  6. Anonym5:55 PM

    In Deutschland ist es eher normal, aus der Kirche auszutreten. Da bringt die Nachricht, dass Nina Hagen plötzliche einen religösen Touch hat eben mehr als ein Kirchenaustritt.

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