Sonntag, Juli 20, 2008

"Komm zu uns ! Komm zu uns !"

B"H

Eine Mischna (mündliche Gesetzesüberlieferung G - ttes an Moshe am Berg Sinai) aus dem Talmud Avot (Pirkei Avot), Kapitel 6, Mischna 9, zum Nachdenken. Diese Mischna ist etwas kniffelig, aber vielleicht lernen viele hieraus am Besten, mit welchen Fragen man beim Talmudstudium konfrontiert wird.

Vorweg jedoch der Text der Mischna:

Rabbi Yossi ben Kisma sagte: "Einmal befand ich mich auf einem meiner Wege als mich einen Mann traf und der mir SHALOM sagte. Also gab ich ihm das SHALOM zurück.

Der Mann sagte mir: Rabbi woher kommst du ?
Ich antwortete ihm: Aus einer großen Stadt mit Thoragelehrten und Sofrim (relig. Schreiber). Daraufhin erwiederte der Mann: Rabbi, willst du nicht lieber mit uns in unserem Ort leben ? Ich gebe dir Tausend Dinare aus Gold, wertvolle Edelsteine und Perlen.

Ich (der Rabbi) sagte: Und wenn du mir alles Gold, Silber, wertvolle Edelsteine und Perlen dieser Erde geben tätest, ich würde niemals anderswo wohnen als an einem Ort der Thora (wo die Thora studiert wird) ".


Soweit die Mischna aus den Pirkei Avot.

Viele viele Fragen tun sich hier auf.
Zuerst einmal: Warum erzählt uns die Mischna bzw. Rabbi Yossi ben Kisma dies alles ?

Was sollen wir daraus lernen ? Und lernen sollen wir ganz ohne Zweifel, denn nichts steht in der Thora oder dem Talmud, was uns heute nichts mehr zu sagen hat. Die Thora ist zeitlos und daher ist jeglicher Inhalt von damals auch für uns gültig. Nicht nur die Gesetze, sondern die persönlichen Lebensläufe unserer Vorfahren. Wie haben sie in bestimmten Situationen reagiert und wovon war ihr Leben geprägt ? Sind wir nicht bis heute in gleichen Situationen und erleben Ähnliches ? Wie also wenden wir unsere Moral an ? Stehen wir für unser Volk ein ? Wie sieht unsere Beziehung zu G - tt in zerfahrenen Situationen aus ? All das sollten wir uns einmal in Bezug auf die unendliche Gültigkeit der Thora fragen.

Aber zurück zu der Eingangsfrage, warum uns Rabbi Yossi ben Kisma das ihm Wiederfahrene im Detail erzählt. Wieso geht er ins Detail und sagt nicht ganz einfach: "Einmal traf ich einen Mann, der mir Edelsteine anbot, wenn ich an einen anderen Ort ziehe. Ich sagte NEIN, denn ich wolle dort leben, wo Thora gelernt wird". Punkt. Reicht das nicht aus ?

Wieso erzählt uns der Rabbi hier, dass der Mann ihn grüßte, er den Gruß erwiederte und all das Drumherum ?

Zuerst einmal sollte man sich den Text im Original (Hebräischen) anschauen und wer dies nicht tut, der übersieht etwas Grundlegendes. Rabbi Yossi sagt nicht, dass er den "Mann traf". Zufällig jemanden treffen heißt im Hebräischen "PAGASCH - פגש" vom Infinitiv "LIFGOSCH - ליפגוש". Mit jemandem eine Verabredung haben und ihn treffen, dafür gibt es ein anderes Wort (LEHIPAGESCH - להיפגש). Somit erkennt der Zuhörer schon aus der Grammatik heraus, ob jemand eine Person zufällig oder bewußt traf.

Aus unserer Mischna aber geht nicht hervor, ob Rabbi Yossi den Mann zufällig oder verabredet traf. Verabredet wohl eher nicht, denn er kannte die Person ja gar nicht. Dagegen heißt es in unserem Text, dass Rabbi Yossi den Mann (PAGA - פגע). Das Wort PAGA bedeutet eigentlich JEMANDEN VERLETZEN und nicht JEMANDEN TREFFEN. PAGA ist die Vergangenheitsform von LIFGOA - VERLETZEN לפגוע.

Von daher ist die Übersetzung der Mischna also falsch. Rabbi Yossi traf den Mann zwar, doch dieser verletzte ihn.
Womit verletzte er ihn ?

Auch hier ist es dringend anzuraten, in das hebräische Original zu schauen !!!

Aber zuvor kurz noch ein kleiner anderer Einwurf.

Aus dem Talmud Berachot lernen wir, dass jemand, der den Gruß eines Mitmenschen nicht erwiedert, ein Dieb ist.

Wieso das ?

Ein Mitmensch offeriert mit etwas, nämlich seinen Gruß, und daher bin ich verpflichtet, ihm die Offerte zurückzugeben. Tue ich das nicht, nehme ich etwas an, ohne zurückzugeben. Dies trifft auch auf Fälle zu, in denen ich eine Person nicht ausstehen kann und nicht grüßen will. In dem Moment jedoch, in dem mich jemand ernsthaft grüßt, muß ich den Gruß erwiedern.

Dies tat Rabbi Yossi.

Aber heißt es nicht ebenso in Berachot, dass eine relig. Person sich anstregend sollte, zuerst zu grüßen, da dies als hohe Mitzwah (Gebot) betrachtet wird ? Wieso tat der Rabbi dies nicht, sondern ließ den Unbekannten zuerst grüßen ?

Die Antwort lautet, dass wir dies aus dem Wort PAGA herauslesen.
Schon von Vornherein kam der Mann auf ihn zu und man sah, dass er nichts Gutes im Schilde führte. Von daher wollte Rabbi Yossi ihn nicht grüßen, sondern ihm aus dem Weg gehen. Als der Unbekannte jedoch grüßte, war Rabbi Yossi gezwungen zurückzugrüßen. Und gleich darauf kurbelte der Unbekannte die Diskussion an, indem er dem Rabbi Geld bat, wenn er denn nur umziehe.

Was ist daran so falsch ?
Zuerst einmal verletzte er den Rabbi mit seinem Verhalten und darauf bezieht sich das Wort PAGA. Dummdreist wollte der Unbekannte den Rabbi zum Umzug bewegen.

Woraus sehen wir nun das wieder ?

Weil Rabbi Yossi eingangs sagte, dass er sich auf einem seiner Wege befand.

Wege ? Was für Wege ?

War er symbolisch gesehen auf dem richtigen Weg ? Anscheinend ja, aber überkam ihn nicht ein negativer Gedanke ?

Was der Unbekannte wirklich wollte, war den Rabbi vom richtigen Weg abzubringen.

Bestes Beispiel: Ein christlicher Missionar wendet sich an einen Juden und will diesen bekehren. Von Vornherein steckt also schon eine böse Absicht im Gruß und in der aufkommenden Diskussion.

Der Unbekannte sagte nicht: "Du kannst in meiner Stadt leben".

Nein, er sagte: "Du kannst MIT (IMANU) UNS - עמנו an UNSEREM Ort leben מקומנו".

MIT UNS an UNSEREM ORT. Wir schauen hier auf das Wort "IMANU - MIT UNS". Dies bedeutet, dass ich nicht nur dort lebe, sondern auch die Gepflogenheiten eines neuen Ortes bzw. der Bewohner annehme. Der Unbekannte also wollte den Rabbi vom Weg abbringen und ihn zu einem anderen Leben verleiten. Wie gesagt, genau wie z.B. ein christlicher Missionär, der Gleiches bei einem Juden probiert.

Rabbi Yossi ben Kisma lehnte ab und ging seinen richtigen Weg weiter.

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Ich danke jenem Chabad - Rabbiner für diese Inhalte, dessen Vortrag ich besuchte, doch dessen Namen ich leider nicht mitbekam.

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