Dienstag, September 02, 2008

Der Rebbe auf der Leinwand

B"H

Nach wie vor ist es Sommer und die Leute werden in diesen warmen Sommernächten nicht selten zu Nachtschwärmern. In Jerusalem, zum Beispiel, zieht es viele Leute spätabends noch in die Fußgängerzone Ben Yehudah; Eis, Falafel oder Schwarma (Döner) essen. Nahe dem Zionsplatz (Kikar Zion) spielt sich fast die ganze Action ab. Ein paar Hippietypen trommeln auf ihre Bongos ein und die Breslover Chassidim verkaufen ihre CDs, Bücher sowie Buchstaben für eine neue Thorarolle. Jeder kann für umgerechnet 2 Euro einen Buchstaben einer neu zu schreibenden Thorarolle mitfinanzieren.
Zwei Breslov – Stände unterschiedlicher Ideologie stehen direkt nebeneinander. Da sind zum einen die Chassidim des Rabbi Arush, einem ehemaligen Schüler des Rabbi Eliezer Berland. Rabbi Berland eröffnete eine bekannte Yeshiva für Baalei Teshuva, Juden, die erst im späteren Verlauf ihres Lebens religiös werden. Die zweite Gruppe waren die allseits bekannten Nanas mit ihren weißen "Nachman MeUman – Nachman aus Uman" Kipot auf dem Haupt.
Nicht zu vergessen die Familie, die seit Pessach (April) täglich in der Ben Yehudah ihre illegalen CDs verkauft und Chabad soll hier auch nicht ausgelassen werden.

Seit ca. zwei Wochen stellen die Chabad – Meschichisten (jene in Chabad, die glauben, dass der letzte Lubawitscher Rebbe der Meschiach ist) fast allabendlich eine riesige Leinwand auf und zeigen Videos von ihrem letzten Rebben, Rabbi Menachem Mendel Schneerson. Genau zwischen dem Softeisladen und dem Meschistensitz in der Ben Yehudah Nr. 5.

Gestern Abend setzte ich mich fast mittenrein und schaute mir das Schauspiel einmal an. Die DVD war gerade frisch eingelegt worden und los ging es. Beim ersten Anlauf jedoch kippte die Leinwand erst einmal um, denn es war ein starker Wind aufgekommen. Obwohl es tagsüber noch sehr warm ist, so werden doch die Nächte schon deutlich kühler.

Außer mir und ein paar Gelangweilten, die an ihrem Schwarma kauten, war kaum jemand am Video des Rebben intereessiert. Das Video zeigte Rabbi Schneerson bei ganz unterschiedlichen Gelegenheiten. Beim Beten, beim Gästeempfang oder bei der Thoralesung. Eine der Szenen muß in den Jahren 1992 bis 1994 aufgenommen worden sein.
Der Lubawitscher (Chabad) Rebbe saß auf einem Stuhl auf einem Podium und feuerte seine Chassidim an, den "Yechi Adoneinu …" Song zu singen. Dieser Song ist seit ca. 1991 bei den Lubawitschern im Umlauf und wird meist dann gesungen, wenn ausgedrückt werden soll, dass Rebbe Menachem Mendel Schneerson der Meschiach ist. Bis heute ist "Yechi Adoneinu …" das große Symbol der Meschichistenbewegung innerhalb von Chabad und wird selbst während oder nach den täglichen Gebeten gesungen.

Rebbe Schneerson saß auf dem Podium und all seine Chassidim um ihn herum schienen völlig auszurasten. Der Rebbe selbst schaute schrecklich und totkrank aus und ich fragte mich, wie solch ein Video nur entstehen konnte. Im Jahre 1992 erlitt Rebbe Schneerson einen Schlaganfall und war seither bis zu seinem Tode halbseitig gelähmt. Im Jahre 1977 hatte er schon einen Herzanfall erlitten.

Auf dem Video saß er halbseitig gelähmt da. Seine rechte Hand war bedeckt und unsichtbar, da er sie nicht mehr bewegen konnte. Mit seiner linken Hand jedoch fuchtelte er wild um sich und feuerte so seine Chassidim an.

Die ganze Szene schien irgendwie total absurd. Da saß ein schrecklich und totkrank aussehender Rebbe auf einem Posium und dennoch machte er per Handzeichen seine messianischen Ideen publik. Seit den späten 80iger Jahren war der Messianismus zu DER wichtigsten Chabad – Ideologie überhaupt geworden. Und als der Rebbe seinen Schlaganfall erlitt, wurde alles noch viel schlimmer. Zahlreiche Autoren haben sich in ihrer Literatur mit dem Thema befaßt. Besonders eindrucksvoll stellt M. Avrum Ehrlich das Thema "Chabad – Messianismus" in seinem Buch "The Messiah of Brooklyn: Understanding Lubavitch Hasidim" dar.

Im Mai 1992, nur wenige Wochen vor seinem Schlaganfall, gab Rebbe Schneerson zu, dass er mit seiner Mission, den Meschiach zu bringen, gescheitert sei. Er habe alles getan und nun liege es an seinen Chassidim, die Mission weiterzuführen und zu vollenden. Bis zu dem Zeitpunkt wurde der Rebbe von seinen Anhängern als wahrer Prophet gesehen. Als er jedoch sein Scheitern zugab, wurde er zum gescheiterten Propheten.


Rebbe Menachem Mendel Schneerson in besseren Tagen.


Rebbe Menachem Mendel Schneerson verstarb am 12. Juni 1994 im Alter von 92 Jahren.

Bleiben zwei Fragen offen:

1. Warum ernannte der Rebbe keinen Nachfolger ?

Viele Leute kommentieren hierzu, dass der Rebbe letztendlich sich selbst als Meschiach sah oder zumindest eine starke Hoffnung besaß, das dem so sei. Und war dieses kleine Fünkchen Hoffnung nicht verständlich für einen vom Tode gezeichneten Mann ? Mit ihm würde die Schneerson – Familie und deren Herrschaft aus der Chabadführung verschwinden und soetwas konnte einfach nicht sein. Daher weigerten sich viele Chassidim sich dieser Realität hinzugeben und flüchteten lieber in utopische Phantasien. Und die traurigen Auswirkungen sehen wir bis heute.

2. Warum ermutigte der Lubawitscher Rebbe seine Chassidim immer wieder fast nur noch der messianischen Ideologie zu folgen ? Anstatt zu bekunden, man solle geduldig auf den wahren Meschiach warten, heizte der Rebbe seinen eigenen Meschiach – Personenkult immer weiter an.




Chabad in Action: Die Meschichisten aus der Ben Yehudah Nr. 5

2 Kommentare:

  1. Wenn der Rebbe selbst schon sagte, dass er es nicht geschafft habe, den Messias zu bringen, schließt es doch auch aus, dass er sich selbst für den Moshiach hielt. Worauf stützen sich also die Chabadnikim, die ihn für Moshiach halten?! Irgendwie absurd.

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  2. B"H

    Wenn Du einen Chabadnik befragst, wir Dir fast jeder von ihnen einen anderen Grund nennen. Ich werde eine ganze Serie ueber Chabad verfassen und begann vorerst hier:

    http://chassidicstories.blogspot.com/2009/08/lubawitsch-lubavitch.html

    Der Chabad Messianismus ist eine ganze Story fuer sich.

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