Mittwoch, Januar 20, 2010

Die andere Seite der Medaille

B"H

Empfehlenswert und unkompliziert zu lesen:

THE OTHER SIDE OF THE STORY
"Giving people the benefit of the doubt - stories and strategies"

von Yehudit Samet

Erschienen im ARTSCROLL Verlag


Das Buch befasst sich mit dem jüdischen Konzept des "Kaf S'chut - Benefit of a Doubt - Zweifel zu Gunsten einer zweiten Person".

Tagtäglich passiert uns Folgendes:

Wir ärgern uns über den unfreundlichen Nachbarn, den aggressiven Busfahrer, den lahmen Schalterbeamten. "Warum ruft uns ein Freund nicht gleich zurück, wo doch die Angelegenheit so dringend erscheint ?"


All dies mögen ganz einfach Nachlässigkeiten unserer Mitmenschen sein, doch steckt nicht oftmals  viel mehr dahinter als wir sofort genervt annehmen .
Was ist mit der anderen Person ? Wie schaut seine Seite der Medaille aus ?

Genau darauf geht das Buch ein und es macht dem Leser klar, dass alles im Leben nicht immer so leicht und beschwinglich verläuft, wie man sich das vorstellt. Bedenken wir, unter anderem, die Probleme unserer Mitmenschen ? Wieso kam jemand nicht pünktlich zur Verabredung uns liess uns warten ? Was, wenn etwas passierte ? Was, wenn der Bekannte selbst in einer privaten Zwickmühle befindet ? Beziehen wir diese Gedanken mit in unseren Ärger ein oder denken wir nicht lieber erst einmal an uns selber ?

Wir sind gezwungen, mit anderen Menschen zusammenzuleben und können davon, optimal betrachtet, profitieren. Gedankenaustausche, Kommunikation oder Liebe.
Juden besitzen spezielle Anweisungen wie sie dieses Zusammenleben meistern sollen. Hierbei besonders das "großzügige Richten einer anderen Person - Kaf S'chut".

In den "Pirkei Avot" (2:5) sagt Hillel:
"Richte nicht Deinen Freund bis Du Dich in seiner
Position befindest !"

Es gibt Situationen, in denen Vorfälle auf Missverständnissen basieren oder wir glauben, das Geschehen zu erfassen, verfügen jedoch längst nicht über alle Infos / Details. Demzufolge richten wir zu blind und voreilig.


Fallbeispiel:

Eine gute Freundin fuhr in den Urlaub ohne uns etwas davon zu sagen. Wie konnte sie das tun ?

Nun versuchen wir "Kaf S'chut" in die Angelegenheit zu bringen und uns nicht vorab schon aufzuregen !

Geben wir der Freundin eine Chance !

1. Vielleicht war sie ja in dem Glauben, sie habe uns ihren Urlaub angekündigt.

2. Sie versuchte uns zu informieren, doch irgendwas kam dazwischen und hinterher vergass sie es.

3. Sie war sich so sicher, sie hätte uns bereits informiert.

4. Sie wollte niemanden verletzten, denn wäre ich nicht selber gerne in den Urlaub gefahren,
doch habe dazu kein Geld. Vielleicht wollte sie mir so die Scham ersparen ?

5. Sie wollte es berichten, doch ihr Gatte verbot es ihr.

6. Ihr Urlaub war Last Minute.

7. Sie kündigte den Urlaub an, doch man selber vergass es ganz einfach.

8. Beim letzten Male kündigte sie ihren Urlaub ganz aufwendig an, doch fiel dieser dann ins Wasser und es war ihr peinlich. Das wollte sie sich dieses Mal ersparen !

Was wir daraus lernen ist, immer wieder neu die andere Seite, die unserer Mitmenschen, mit einzubeziehen. Klar, gibt es Nachlässigkeiten und unliebsame Menschen, dennoch schadet es nie, den Grund für ein Geschehen herauszufinden, anstatt unnötig mies gelaunt und verärgert herumzulaufen. Darauf zu verzichten, den Mitmenschen zur Rede zu stellen und sich seine Seite der Medaille anzuhören, sollte man gewiss vermeiden. Ein klärendes Gespräch wirkt oft Wunder.

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