Sonntag, Januar 17, 2010

קיום - Existenz

Bedeutet das Sitzen an der Bar ausschliesslich Egoismus und somit den Ausschluss der Mitzwot ?




B"H

Sobald jemand in Jerusalem aus dem Bus steigt, hört er Thora. Nicht konstant und an jedem Ort, dennoch ist Thora zu vernehmen.
Ich hörte es am vergangenen Freitag nachmittag als ich aus dem Zentralen Busbahnhof kam und mich an eine Bushaltestelle der Lokalbusse stellte. Ein paar junge amerikanische Yeshivastudenten gingen an mir vorbei und waren, ohne Zweifel, tief in ein Gespräch über die Thora Parasha zum Schabbat involviert.

In dem Moment befanden sich meine Gedanken ganz woanders, doch erinnerte mich der "Parasha Talk" an meine eigene Yeshiva (Seminar) Zeit. Mit meine ersten Schritte machte ich auf litvisch - haredischen sowie in chassidischen Seminaren; genauso wie beim "Discovery" Programm der Yeshivat "Aish HaTorah".

Nicht jeder "Anfänger" wird sofort an die Halachot herangeführt und schon gar nicht werden sie ihm "wumms" mit einem Male eingepaukt. Solch Verhalten täte die Mehrheit der Anfänger auf nimmer Wiedersehen abschrecken.
All dieser endlos erscheinende Mitzwahberg auf einmal ?
Das erstickt einen geradezu; noch dazu, wo G - tt eventuell bei Nichteinhaltung bestraft.

Aus diesem Grund heraus beginnen viele Programme mit der "Philosophie" a la:
"Warum man denn erschaffen worden ist. Warum befinde ich mich in dieser Welt, wo ist mein Platz und was meine Aufgabe ? Existiert überhaupt eine Aufgabe oder sind sämtliche Arten der Erschaffung (einschliesslich mir selbst) reiner Zufall und nichts weiter ?

Die Programme beweisen jedem einzelnen Teilnehmer die Existenz G - ttes und das NICHTS auf der Welt zufällig geschieht. G - tt hat einen Masterplan und wir (besonders die Juden mit ihren Mitzvot) haben diesem Plan zu folgen. Das allein ist der Grund, warum wir erschaffen worden sind. Unser ganzes Dasein liegt darin verborgen. Die Mitzwot auszuführen und unsere Lebensaufgabe zu suchen und auch zu finden.

Haredische (ultra - orthodoxe), insbesondere diverse strenge chassidische Gruppierungen, gehen sogar noch einen Schritt voraus, indem sie ihre eigenen internen Regeln erstellen. Der Rebbe lehrt, dass wenn die Mitglieder die Thora und die Gruppengesetze nicht einhalten, die Bestrafung schon wartet. Nicht nur durch G - tt, sondern genauso durch die Gruppe.

All das vermittelt einem das Gefühl als bestehe der einzige Lebensinhalt aus Mitzwot.
Gefangen in einem riesigen Mitzwahknast. Weder selbständiges Denken noch Freiheiten noch Individualität. Sich selbst und seine Persönlichkeit aufgeben, um zu funktionieren, wie es die Gesellschaftsordnung verlangt. Darum wurde ich erschaffen.

Als die Yeshivaleute an mir vorübertrabten, drehten sich meine Gedanken im Kreis:
"Wo befinde ich mich in G - ttes Masterplan ? Nicht nur ich, sondern meine Existenz und Persönlichkeit ? Besteht mein alleiniger Lebensinhalt aus dem Befolgen von Regelungen und falls nicht, werde ich dann automatisch bestraft ?"

Zwischen geborenen Haredim und den erst später hinzugekommenen (Baalei Teschuva) existiert ein riesiger Unterschied. Als Baal Teschuva reagieren viele nicht selten vollkommen aufgeregt bzw. voller Elan. Alles wollen sie sofort und natürlich richtig machen. 100%ig, wenn es geht. Man rennt in die Religion, ohne groß zu fragen bzw. nachzudenken. Dann gibt es wieder jene, die trotz Religion und all dem fromm sein, dem Verstand nach reagieren und hinterfragen. Geborene Haredim dagegen tun und hinterfragen nicht groß: "Dies ist meine Aufgabe / Pflicht, das ist das, was G - tt von mir will und damit hat sich der Fall erledigt !"

Ich habe ein Problem damit, in und mit einer Gesellschaft so eng verflochten zu leben. In einer Gesellschaft, in welcher das Individuum nicht zählt, sondern die Masse.
Plötzliche Baalei Teschuva geben sich selbst nur allzu willig auf; ihr "ICH" , damit sie auch ja ihre Lebensaufgabe erfüllen. Was aber geschieht mit mir selbst ? Warum erschuf mich G - tt ? Warum stattete Er mich mit einer Persönlichkeit aus, wenn ich sie eigentlich gar nicht unbedingt benötige ? Nur, um mir klarzumachen, dass ich damit meinen "Freien Willen - Bechirat Chofshit" im Leben benutze und die gute Seite, sprich "Mitzwot" wähle ?

Ich denke, dass da soviel mehr eine Rolle spielt als einfach "nur zu leben". Unter anderem, seine eigene Freiheit zu finden, ohne die Mitzwot aufzugeben. Eine absolut säkulere Bekannte sagte mir einmal, dass all jene, die sich auf die Mitzwot versteifen, Regeln folgen und in einer frommen Gesellschaftsrichtung leben, gar nicht in der Lage sind, sich in einer "normalen" Gesellschaft zurechtzufinden. Deshalb brauchen und suchen sie nach Anleitungen im Leben.
Bis zu einem gewissen Grad gebe ich meiner Bekannten Recht.

Auf lange Sicht wird sich das "völlig Überwältigtsein" als nicht gerade positive Einstellung erweisen. Gewöhnlich verläuft sich das Gefühl. Besonders ab dem Zeitpunkt, ab welchem einem Anfänger klar wird, dass fromm sein "Arbeit" bedeutet. Konstante Arbeit / Verbesserung an sich selbst. Des Weiteren kommen nach einiger Zeit schon Fragen auf wie "Wo bin ich jetzt eigentlich ? Wo sehe ich meinen Platz oder wurde ich zum Roboter" ?

G - tt gab uns diese Welt, um sie zu geniessen; uns an ihr zu erfreuen. Geniessen in einem Mitzwahrahmen, doch bedeutet religiös sein nicht gleichzeitig eine Selbstaufgabe !

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