Donnerstag, November 29, 2007

Ausgeflippt

B"H

In englischer Sprache ist ein neues Buch unter dem Titel "Flipping Out" erschienen.



Zusammen mit der amerikanischen relig. Yeshiva University versuchen die Autoren die neuen Religiösen zu beschreiben. Was geschieht mit einem jungen Mann, der sich zu einem einjährigen Yeshiva - Aufenthalt (relig. Schule) in Israel entschliesst und der nach Ablauf der Zeit religiös heimkommt ?

Mehrmals habe ich schon über das Thema berichtet, welches "Flipping Out" genauer unter die Lupe nimmt.

Jedes Jahr kommen mehrere Hundert junge Menschen nach Jerusalem und schreiben sich an einer Yeshiva (relig. Schule) ein, um etwas über ihre eigene jüdische Religion zu lernen. Die Mehrheit von ihnen kommt aus englischsprachigen Ländern und die angebotenen Programme sind deshalb in engl. Sprache ausgerichtet. Yeshivot wie Aish HaTorah und Ohr Sameach für das männliche Geschlecht und Neve Yerushalaim, Shearim, Midreshet Rachel oder Nishmat für das weibliche Geschlecht, sind wohl die bekanntesten Einrichtungen unter ihnen.

Normalerweise bestehen die ersten Programmwochen aus Trips in die Umgebung und der Vermittlung von Basiswissen über die jüdische Religion. Die Mehrheit der Teilnehmer kommt aus nicht unbedingt religiösen Familien. Reform, konservativ, ein wenig orthodox, alles ist vertreten. Eines aber haben alle gemeinsam: Sie wollen mehr über ihre eigene Religion wissen.

So werden in den ersten Wochen oder Monaten nicht gerade komplizierte talmudische Traktate gelernt. Vielmehr geht es darum, das Interesse der Leute zu wecken. So werden eher philosophische Themen wie "Wozu bin ich hier und was will G - tt von mir", "Was ist mein Freier Wille in dieser Welt", "Körper und Seele", und vieles andere angeschnitten. Themen, von denen man in kleinen jüdischen Gemeinden nur träumen kann. Die Rabbiner der Yeshivot erwarten ihrerseits viele Fragen. Wer auf einer Yeshiva lernt, sollte sich niemals richtig mit einer Antwort zufriedengeben, sondern immer weiter forschen. Je mehr Fragen, desto besser. Nur nicht schämen und einfach drauflos fragen.

Allmählich tauchen die Teilnehmer so in ihre eigene kleine Welt ab. Lernen und mit Gleichgesinnten reden. Und nach und nach macht sich jeder so seine eigenen Gedanken, vielleicht in seinem Leben etwas zu ändern. Man wird religiöser und alles andere ergibt sich nach und nach. In dem ersten Zeitraum laufen solche Leute große Gefahr, sich zu sehr auf ihre neue Umwelt zu konzentrieren, anstatt das neu Gelernte und die neuen Eindrücke erst einmal in Ruhe zu verarbeiten. Stattdessen glaubt man manchmal zu schnell, seinen absoluten Weg gefunden zu haben.
Hierbei kommt es immer wieder zu inneren Konflikten, wenn derjenige keinen professionellen Rabbiner zur Seite stehen hat. Zu schnell setzt man sich nur noch hin und lernt. Ich weiss, wovon ich spreche, denn mir erging es genauso.

Ohne es richtig wahrzunehmen, lebt man in seiner eigenen Yeshivawelt und will natürlich eine gewisse Perfektion erreichen. Heisst, das Gelernte umsetzen. Hierbei wird nicht daran gedacht, dass alles ein langwieriger Prozeß ist und niemand von heute auf morgen sein Leben total ändern kann. Auch ein Rabbi Akiva musste erst mit dem Alphabet beginnen.

Wer zu eifrig bei der Sache ist, dem kann dreierlei wiederfahren:

1. Nach einiger Zeit läuft er vor der Religion davon, weil er den inneren Druck nicht mehr aushält.

2. Wenn er Glück hat, geht alles gut.

3. Er erlebt einen Zusammenbruch und beginnt erst danach, sein relig. Leben wieder neu und langsam aufzubauen.

Solange man die Yeshiva - Luft schnuppert, fallen einem die inneren Veränderungen in einem selbst nicht auf. Das Problem beginnt daheim bei der eventuell nichtrelig. Familie. Die nämlich glaubt, einen Durchgeknallten daheim zu haben. Wer zu eifrig bei der Sache ist, wieder heimkehrt und dann meint, er müsse nun seine Umgebung missionieren, der bekommt Probleme.

Nicht selten rufen besorgte Elten später die Rabbiner in den israel. Yeshivot an und fragen, was mit ihren Kindern geschehen ist. Daheim angekommen, wollen sie jedem vorschreiben, wie und was er zu machen hat. Hiermit beginnt das Problem, in dem in "Flipping Out" eingegangen wird.

Buchkritiker sind der Meinung, dass in dem Buch die gebürtigen Religiösen ausgelassen werden. Immer werde nur auf den Neurelig. herumgehackt. Kein Wunder, denn bei denen bestehen ja auch die beschriebenen Probleme nicht.
Wie bringe ich es meinen Eltern bei, dass ich nur noch orthodox lebe, was kann ich in ihrem Haushalt noch essen und wie ist ein gemeinsames Leben möglich, dies sind die Themen des Buches. Vorwiegend werden die Neurelig. selbst beschrieben und wie sie mit ihrem neuen Leben umgehen.

"Flipping Out" ist sicher ein guter Ansatz, ein so wichtiges und zentrales Problem der heutigen Orthodoxie genauer unter die Lupe zu nehmen. Das Buch ist auf relig. Basis geschrieben und nichts für jene, die nur Negatives über die Orthdoxie suchen. "Flipping Out" ist ein ernsthafter Versuch, ein ernstes Thema zu diskutieren und alle Neureligiösen sollten es vielleicht in ihre engere Buchwahl aufnehmen.

2 Kommentare:

  1. Anonym4:09 PM

    Ich möchte vorsichtig sein, aber meinem Eindruck nach geht es in dem Buch durchaus um Leute mit einem bereits religiösem Background, v.a. geht es um Leute aus einem modern-orthodoxem Umfeld. Diese geraten dann, so offenbar die Aussage in dem Buch, in den Durchlauferhitzer Yeshiwa und kehren dann heim -wenn sie heimkehren!- als adrett gekleidete Schwarzhüte. Darüber haben schon andere geschrieben.

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  2. B"H

    Ich habe das Buch nicht gelesen und kann daher keine genauen Details geben. Der Text, den ich zu dem Thema schrieb, bezog sich auf das allgemeine Thema und die Probleme der Nichtrelig., die hier auf Yeshivot lernen.

    Anhand von Kommentaren zu dem Buch denke ich jedoch, dass es ueberwiegend um genau jene Faelle geht.

    Aber das Problem besteht wirklich auf beiden Seiten; bei denjenigen, die spaeter relig. werden sowie jenen, die schon etwas relig. waren, und dann "Black Hat" werden.

    Beide Gruppen koennen Probleme haben, doch sind sie meistens von etwas unterschiedlicher Natur.

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