Dienstag, November 06, 2007

Ende der Rechtfertigung ?

B"H

Was mir bei meinem Leben in der Diaspora am meisten auf die Nerven ging, war das sich ewige "Rechtfertigen müssen". Ob das nun bei Freunden geschah, Fremden oder Arbeitskollegen; ständig kamen neue Fragen und Anklagen auf.
Mit dieserlei Erfahrung stehe ich nicht allein da, denn immer wieder höre ich auch von anderen Neueinwanderern die gleichen Beschwerden. Und nicht nur in Deutschland findet soetwas statt, sondern überall auf der Welt.

Bei Freunden war es etwas einfacher, denn denen konnte man jüd. Gesetze und Bräuche leichter erklären. Auch sahen sie, dass ich mehr oder weniger danach lebte und so schlug alles in eine Gewohnheitssache um. Anders dagegen war es bei Fragen zur israel. Politik, denn allabendlich wurden die News im TV konsumiert. Doch auch hier trat ein wenig Verständnis auf. Es ist von Vorteil, wenn man Leute persönlich kennt und ihnen daher die Umstände besser erklären kann.

Am Arbeitsplatz hatte ich diesbezüglich auch keine Probleme. Dort ging es allgemein weniger um Politik als um die jüdische Religion an sich. Und da zeigte man sich schon interessiert. Vor allem deshalb, weil die Infos sozusagen aus "erster Hand" kamen. "Man kennt sowas ja sonst immer nur aus dem Fernsehen", hieß es seitens der Kollegen.

Die große Rechtfertigung trat allerdings immer dann ein, sobald ich neue Leute kennen lernte. Normalerweise beginnt man ja nicht gleich mit den Sätzen "Hi, ich bin Jude, und Du" ? In Deutschland spielt die Religionszugehörigkeit nicht gerade die größte Rolle und niemand stellt sich als Katholik, Protestant oder Moslem vor.
Irgendwann aber kommt immer der Zeitpunkt, an dem Juden Farbe bekennen. Insbesondere relig. Juden, denn Einladungen für freitags oder samstags (Shabbat) fallen schon im Vorfeld flach. Dann kommen die Kaschrut - Gesetze (koscher) hinzu, ganz zu schweigen von den Feiertagen. Und dann fallen schonmal Sätze wie: "Muß denn das heute alles noch sein ? Die Thora ist doch schon Tausende von Jahren alt und überhaupt, andere machen das ja auch nicht. Könnt Ihr Euch nicht endlich assimilieren" ?
Wie bringt man in wenigen Minuten Verständnis für die jüdischen Gesetze auf ohne Gefahr zu laufen als Vollidiot abgestempelt zu werden ?

Die größte Rechtfertigung erlebte ich jedoch im bezug auf die deutsche Geschichte. Nicht, daß sich Fremde rechtfertigen wollten und sofort loslegten mit den Sätzen "Meine Großeltern waren auch gegen Hitler". Vielmehr ging es einmal wieder mehr um Politik, von denen alle meinten, sie verstehen alles und jedes.
Deutschland sei heute ein anderes Land und Israel (die Juden) haben sich in die Bösen verwandelt. Siehe nur Baruch Goldstein, der Anfang der 90iger Jahre mehrere Moslems in Hebron erschoß. Und die Palästinenser werden jetzt in KZs gehalten und da sollen wir Juden mal nicht immer noch die Deutschen anklagen. Schließlich seinen wir entweder schlimmer oder zumindest auch nicht besser.
Solchen Leute die gesamten Verhältnisse zu erläutern, hielt ich für überflüssig.

Ob man es nun wahr haben will oder nicht, die Sehnsucht nach Israel kommt in solchen Situationen schon auf. Allein deswegen, weil ich mich in Israel nicht wegen meiner Religion rechtfertigen muß. Und bezüglich der Politik kennen wir alle den Terror. Ob links oder rechts, jeder hat so seine eigenen Erfahrungen damit.

Wer jedoch streng religiös ist, dem passiert es selbst in Israel, daß er sich rechtfertigen muß. Was Dossim (Haredim - Ultra - Orthod.) sollen die neuen Kollegen sein ? Nein, soetwas wollen wir lieber doch nicht.
Diese Sprüche kommen schon ab und an. Haredische genauso wie nationalrelig. Frauen stehen oft vor dem Problem, ihrem Arbeitgeber eine erneute Schwangerschaft erklären zu müssen. Gesetzlich ist es in Israel zwar so geregelt, daß eine schwangere Frau bis zum Zeitpunkt kurz vor der Geburt arbeitet, doch denkt der Arbeitgeber an das "Danach". Wenn das Kind erstmal da ist und Fürsorge benötigt, dann steht die Mutter nicht mit der 100%igen Einsatzkraft zur Verfügung.

Nicht nur aus diesen Gründen arbeiten haredische Frauen lieber in Firmen, in denen die Mehrheit der Arbeitnehmer selbst haredisch ist, denn hier fallen jegliche Rechtfertigungen flach. Außerdem braucht man sich keine Stories über Exkursionen am Shabbat von sekulären Kollegen anzuhören.

Nicht nur des Einkommen wegens ist die israel. High Tech Branche für haredische Frauen attraktiv geworden; vielmehr zieht man eben jene haredischen Kollegen und Bosse vor.

Ich ziehe das Leben in Israel generell vor und wage gar nicht daran zu denken, welchen eventuellen Fragen ich bei einem Deutschlandbesuch ausgesetzt wäre.

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