B"H
Allgemeine Berühmtheit erlangte die Edah HaCharedit überwiegend durch ihren extremen Antizionismus. Die Edah HaCharedit in Mea Shearim ist eine Dachorganisation verschiedener chassidischer Gruppen sowie einiger litvisher Haredim (z.B. dem Soloveitchik – Movement "Brisk"). Die chassidischen Gruppen, welche bei der Edah die größte Rolle spielen sind Satmar, Dushinsky, Toldot Aharon, Toldot Avraham Yitzchak, Spinka sowie Teile Breslovs. Erwähnenswert ist zusätzlich eine weitere chassidische Gruppe, von der kaum jemand weiß, daß sie existiert: die Mishkenot HaRo'im.
Wer heutzutage durch den ultra – orthodoxen Jerusalemer Stadtteil Mea Shearim geht, der darf eines gewiss nicht tun; nämlich alle Chassidim und deren Gruppen über einen Kamm scheren und subjektiv richten. Nicht alle Bewohner Mea Shearims sind antizionistisch eingestellt und es gehören schon etwas mehr Kenntnisse über den Chassidismus, dessen Geschichte und Mitglieder dazu, um in der Lage zu sein, ein wenig zu urteilen.
Eines der gravierensden Vorurteile bezüglich der Edah HaCharedit ist, daß sie ausschließlich von der Neturei Karta regiert wird und überhaupt seien da alle sicher nur Neturei Karta. Dieses Vorurteil betrifft auch immer wieder die Satmarer Chassidim. Trotzdem es in London und Antwerpen Satmarer Gemeinden gibt, ist die weltweit größte chassidische Gruppe mit ca. 100.000 Mitgliedern in Europa eher unbekannt. Die Mehrheit der Satmarer Chassidim lebt in Israel und insbesondere in New York (Williamsburgh und Monroe / Kiryat Yoel). Ihr extremer Antizionismus bringt des öfteren den ungerechten Ruf eines Neturei Karta Ablegers mit sich. Allerdings ist nicht abzustreiten, daß die Neturei Karta durch Satmar einen gewissen Einfluß auf die Edah HaCharedit hat.
Worauf stützen Satmar und die Edah HaCharedit ihren Antizionismus ?
Der Rabbi, der Satmar zu dem machte, was es heute ist, ist der große Satmarer Rebbe, Rabbi Yoel Teitelbaum. Satmar (Satu Mare – Grosses Dorf) liegt im heutigen Rumänien, gehörte jedoch in der Vergangenheit zu Ungarn. Auf die eigentliche Historie der Chassidut Satmar gehe ich in einem anderweitigen Artikel ein, nur sei hier soviel erwähnt, daß Yoel Teitelbaum von den Nazis verhaftet wurde und dann nach langen Verhandlungen in die Schweiz ausreisen durfte. Nach dem Krieg lebte er ein Jahr lang bei seinem Schwiegersohn in Israel und schließlich zog er im Jahre 1947 nach New York. Dort angekommen, baute er zusammen mit unzähligen Holocaustüberlebenden die Chassidut Satmar wieder auf. Nachdem Rebbe Yoel im Jahre 1979 verstarb, wurde die Gruppe aus dem sicheren Fahrwasser gebracht und sieht sich seither mit vielerlei Problemen konfrontiert.
Richtig berühmt wurde Rebbe Yoel Teitelbaum, der von seinen Chassidim nur "Yoelish" genannt wurde, durch seinen unnachgiebigen Antizionismus. Aber nicht er war es, der diesen unbedingt entwickelte, sondern vielmehr folgte er seinem Vater, Rabbi Chananyah Yom Tov Lippa Teitelbaum, sowie der Meinung anderer bekannter chassidischer Rabbiner. Im Jahre 1958 erschien Rebbe Yoel Teitelbaums berühmt berüchtigtes Buch "Vayoel Moshe". Ein Buch, welches auch bei der Edah HaCharedit zum absoluten Standardwerk gehört. In "Vayoel Moshe" geht es ausschließlich um die Ideologie des Antizionismus seit Bestehen des modernen sekulären Zionismus. Rebbe Teitelbaum führt einen regelrechten "Wortkrieg" gegen den Zionismus unserer Zeit und schreckt auch nicht davor zurück, den sich selbst als religiös bezeichnenden Zionismus stark anzugreifen.
In diesem Artikel möchte ich eine der fundamentalen Begründungen gegen den Zionismus näher ausführen. Diese äusserst berühmte Begründung, welche auch von weiteren Rabbinern (u.a. dem Gaon von Vilna) zitiert wird, stammt aus einer Gemara im Talmud Traktat Ketubot 111a. Die These zweier miteinander diskutierender Rabbis in der Gemara hat jedoch ihren eigentlichen Ursprung im "Shir HaShirim – Song of Songs".
In seinem Buch "Vayoel Moshe" gibt Rebbe Yoel Teitelbaum noch weitere Gründe und Fakten gegen den Zionismus. Des Weiteren gibt es unermesslich viel Literatur zu dem Thema. Verfasst von unterschiedlichen chassidischen genauso wie litvishen Rabbinern. Aus diesem Grund ist dieser Artikel nur der erste einer ganzen Reihe von Artikeln über die Edah HaCharedit und den Antizionismus als solches.
Selbstverständlich gibt es genauso gegenteilige halachische, talmudische sowie ideologische Argument zu dem Thema, auf die ich aber an anderer Stelle eingehen werde !!!
Die Fakten aus dem Talmud Traktat Ketubot 110b – 111a basierend auf einigen Sätzen aus Shir HaShirim – Song of Songs (verfasst von König Salomon).
In der Babylonischen Diaspora, welche der Ersten Tempelzerstörung folgte, fragte Rabbi Ze'ira den Rabbi Yehudah, ob er zurück nach Israel ziehen kann. Rabbi Yehudah antwortete: Derjenige, der von Babylon nach Eretz Israel zieht, verletzt ein positives Gebot. G – tt wird allein entscheiden, wann die Diaspora (Galut) in Babylon beendet ist. Heißt, er wird uns ein Zeichen geben. Keinesfalls dürfen wir Seiner Entscheidung vorgreifen und einfach allein losziehen.
Obwohl Rabbi Ze'ira einwarf, dass dies Gesetz nur für das Tempelgeschirr gelte und nicht für die Juden selbst, widerlegte Rabbi Yehudah dessen Argument indem er ihm folgenden Vers aus den Song of Songs 2:7 zitierte:
"Ich schwöre Euch, O Töchter Jerusalems, bei den Gazellen und den Hirschkühen im Feld, dass Ihr nicht Meine Liebe erhöhet oder erweckt, bis zu dem Zeitpunkt, an dem Ich dazu bereit bin".
Metaphorisch lehrt uns dieser Vers, dass wir somit an einen Eid gebunden sind, bis zur endgültigen Ge'ulah (Kommen des Meschiach) nicht nach Israel zu ziehen.
Rabbi Ze'ira hielt dagegen, dass der Vers einzig und allein besage, wir sollen nicht massenhaft nach Israel ziehen, sondern einzelne Juden könnten dort sehr wohl leben.
Die "Töchter Jerusalems" beziehen sich auf das gesamte jüdische Volk in jeder Generation. Sie wurden von G – tt mit einem Eid versehen, nicht vor Seiner Entscheidung und dem Bringen des Meschiach nach Israel zu ziehen. Sobald sie dies doch tun, könnten sie Seine unermessliche Liebe für Sein Volk erwecken und Ihn so zu einer vorzeitigen Entscheidung (den Meschiach zu bringen) zwingen.
Wie "Gazellen und Hirschkühe" bedeutet, dass wenn sie den Eid vorzeitig brechen, sie wie Gazellen und Hirschkühe gejagdt werden.
Rabbi Yehudah bezieht sich in seiner Begründung gegen Israel auf die drei Sätze aus dem Song of Songs. Hierbei handelt es sich um drei Schwüre (Shvuot) welche G – tt und das Volk Israel eingingen:
- Das jüdische Volk darf nicht massenhaft in Israel siedeln.
- G – tt schwor die Juden darauf ein, nicht gegen die anderen Völker zu rebellieren.
- G – tt machte einen Vertrag mit den anderen Völkern, Sein Volk (die Juden) nicht übermässig zu quälen.
Insgesamt steht der o.g. Vers dreimal im Song of Songs (2:7, 5:8 und 8:4).
Zusätzlich nennt die Gemara in Ketubot 111a noch drei weitere Eide.
- Die jüdischen Propheten dürfen nicht die genaue Zeit der Ge'ulah (Kommen des Meschiach) ankündigen.
- Die Juden sollten die Ankunft des Meschiach nicht aufgrund ihrer Sünden verzögern.
- Die Juden dürfen gewisse Kalenderkalkulierungen bezüglich Ankunft des Meschiach nicht den anderen Völkern mitteilen.
In der Kabbalah gibt es diese geheimen Kalkulierungen !!!
Einwurf:
Es ist durchaus möglich, die Ge'ulah aus der Diaspora heraus zu beschleunigen. Rabbi Zadok von Lublin ist der Meinung, dass die Juden nur exessiv beten müssen, denn dies würde eine Beschleunigung herbeiführen. Andererseits ist nicht deutlich gemacht, wie das "exessiv" zu verstehen ist.
Die Gemara fährt fort mit den Strafen, bei Verstoß gegen die Eide (Schwüre):
"Wenn Ihr meinen Eid haltet, dann wird es Euch gutgehen, falls nicht, dann werde ich den Götzendienern erlauben, Euch wie Gazellen und Hirschkühe zu jagen".
Im Klartext heißt dies:
Die Juden sollen solange in der Diaspora leben, bis G – tt Gegenteiliges entscheidet und den Meschiach bringt. Bei einem Leben in Israel erwartet uns das Gegenteil samt Bestrafung, denn wir beeinflussen G – ttes Entscheidung. Durch unsere alleinige Präsenz in Israel sind wir in der Lage, die Ge'ulah zu beschleunigen, was jedoch einen Bruch des Eides mit G – tt bedeutet. Demnach werden wir für unser Tun bestraft werden.
Viele Chassidim genauso wie Mitnagdim (litvishe Haredim) sahen trotz der Eide kein Problem darin, sich frühzeitig in Israel niederzulassen, denn sie planten keinen eigenen Staat, sondern vielmehr relig. Siedlungen, welche nach dem Thoragesetz geleitet werden. Ausserdem zählen Gebete und die Einhaltung der Thoragesetze in Israel viel mehr als in der Diaspora. Andere Meinungen gab es natürlich auch. Schon der Baal Shem Tov sah für die Juden eine wichtige Aufgabe, in der Diaspora zu leben. Wenn diese Aufgabe perfekt erfüllt wird, bedeutet dies das Kommen des Meschiach (so auch die chassidische Gruppe Rozhin und Rabbi Avraham Yehoshua Heschel von Apta).
Jene Chassidim, welche sich schon vor zweihundert Jahren auf den Weg nach Israel machten, aber waren der ewigen Pogrome überdrüssig und suchten ihre Ruhe.
Als jedoch Ende des vergangenen Jahrhunderts der politische Zionismus aufkam, begannen sie diesen vehement zu bekämpfen. Israel könne einzig und allein nur nach den Thoragesetzten existieren und nicht mit weltlichen Gesetzen. Als Gegenstück wurde die Agudat Israel gegründet und wenig später die Edah HaCharedit. Heute ist die Agudat Israel mit fünf Sitzen in der Knesset vertreten und umschliesst Gruppen wie Vishnitz, Belz und Gur sowie litvishe Haredim. Obwohl nicht alle Mitglieder der Agudah den jetzigen Staat Israel unbedingt anerkennen, sind sie dennoch der Meinung, politisch etwas Positives mitgestalten zu können.
Die Edah mit ihren anti – zionistischen Mitgliedern lehnt jegliche Zusammenarbeit oder Anerkennung mit und vom Staat Israel grundsätzlich ab. Die Mehrheit von ihnen lehnt jegliche finanzielle Hilfen der Regierung ab und man baute sein eigenes System auf, welches Renten, Altenheime, Versicherungen, etc. umfasst.
Die Chassidut Satmar ist grundsätzlich der Meinung, dass der heutige Staat Israel ein Bruch der Eide ist. Israel wurde aufgrund von Ungeduld gegründet und alle Kriege und Probleme, mit denen der Staat Israel konfrontiert wird, ist eine einzige G – ttesstrafe. Rebbe Teitelbaum sowie der Gründer der Chassidut Toldot Aharon, Rebbe Aharon Roth, gehen sogar soweit zu behaupten, dass die sekulären Zionisten eine Teilschuld am Holocaust haben.
Diese Argumente sollten keinesfalls missverstanden werden und sind mit Vorsicht zu geniessen. Warum G – tt soetwas wie die Shoah (Holocaust) zuliess, darüber können wir nur spekulieren, denn Tatsachen haben wir keine. Niemand von uns kennt G – ttes Absichten und wir müssen einfach an ein gutes Ende glauben.
Persönlich lehne ich solche Art der Spekulation total ab und es ärgert mich jedesmal wieder aufs Neue, wenn selbst anerkannte Rabbiner derlei von sich geben.
Nun mag sich jeder fragen, warum es denn ausgerechnet Satmarer Chassidim in Israel gibt ?
Die Ablehnung des derzeitigen sekulären Staates Israel hat nichts mit der Besiedlung zu tun und Rebbe Yoel Teitelbaum hielt seine Chassidim nicht davon ab, nach Israel zu ziehen. Allerdings nehmen sie nicht am öffentlichen Leben wie Wahlen, Busfahrten mit Egged, etc. teil. Vielmehr bildeten sie ihre eigene unabhängige Gesellschaft. Genauso besitzen viele Mitglieder der Edah HaCharedit auch keine israel. Staatsbürgerschaft, sondern sie behalten ihre amerik., engl., usw.
Der sogenannte relig. Zionismus, welcher heutzutage von der Nationalrelig. Partei verkörpert wird, ist der Edah mehr als zuwider. Ihrer Meinung nach hilft der nationalrelig. Zionismus den Sekulären, ihren Staat aufrecht zu erhalten und von daher wird die Ankunft des Meschiach verzögert.
Die Beziehungen, wenn man das überhaupt so nennen will, zwischen der Edah und der Agudah sind demnach auch fast nicht existent. Die Agudah genau wie die Nationalrelig. werden als Verräter an der Religion an sich betrachtet.
Trotz aller Widersprüche muß ich gestehen, dass die aufgeführten Punkte aus der Gemara in Ketubot etwas für sich haben. Sind wir Israelis wirklich zu ungeduldig und leben in einem Land, dass eigentlich noch gar nicht existieren dürfte ? Es gibt viele Pros und Cons dazu, auch von den Kommentatoren. Erwähnt sei hier nur der Ramban (Nachmanides), welcher der Meinung ist, dass es eine Mitzwah (Gebot) sei, in Israel zu leben. Viele andere und sogar weitere Talmud Traktate stimmen ihm zu.
Jeder muß für sich seinen individuellen Weg finden und damit glücklich werden. Wenn die Mitglieder der Edah anderer Meinung sind, heißt dies für mich nicht, dass zwischen uns das Kriegsbeil ausgegraben wurde. Ich habe viele Anti – Zionisten kennen gelernt und kam prima mit ihnen aus. Jedenfalls solange wir nicht über Politik sprachen.
Was auch immer die relig. Juden vor 200 Jahren oder später als Gründe aufführten, vieles ist durch den Holocaust zunichte gemacht worden. Seither gab es innerhalb der haredischen Gesellschaft ein Umdenken, obwohl an der Idee eines relig. Staates mit Thoragesetzen festgehalten wird.
Ob nationalrelig., haredi oder sekulär; geben wir es doch zu, dass wir weiß G – tt nicht in einem perfekten, geschweige denn Thoraregierten Land leben, aber wir alle irgendwie von einem optimalen Zustand träumen. Wir können nur hoffen, dass dies bald der Fall sein wird, egal, wo wir gerade leben. Und vielleicht ist die Vorstufe dorthin, sprich der heutige Staat Israel, gar nicht so schlecht, denn immerhin haben wir unser eigenes Land. Und wer weiss, ob G – tt das nicht schon bezweckte.
Zukünftig wird es noch weitere Artikel zu dem Thema geben, genauso wie über die Edah HaCharedit, die Agudat Israel und deren Mitglieder.
Sonntag, November 11, 2007
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