Donnerstag, November 29, 2007

Parashat Vayeshev

B"H

Die Thoralesung für diesen Shabbat

Jedes Kind kennt die Geschichte des Yosef, der von seinen Brüdern verkauft wurde und in Ägypten landete. Die Thoralesung Vayeshev besteht zum Großteil nur aus dieser einen Tragödie. Ausgerechnet der Verkauf des Yosef ruft soviele widersprüchliche Meinungen hervor. Wie konnten seine Brüder nur so gruasam sein und ihn in die Sklaverei verkaufen ? Hätte G - tt sie nicht unbarmherzig bestrafen müssen ? Und wieso rächte sich Yosef nicht später als er dazu imstande war ?
Nebenbei erwähnt, Yosef erzählte später seinem Vater nie, was die Brüder ihm angetan hatten. Die Thora gibt uns in den folgenden Parashot keinerlei Auskunft darüber. Als sein Vater Yaakov nach Ägypten zog, wohnten dieser und sein Sohn Yosef recht weit auseinander. Ein Kommentator ist der Ansicht, dass Yosef mit Absicht seinen Vater auf Distanz hielt, um so eventullen Detailfragen zu entkommen.

Der Arizal (der große Kabbalist Rabbi Yitzchak Luria) ist der Ansicht, dass G - tt die Juden für den Verkauf des Yosef bestrafte. Und zwar zu der Zeit der römischen Besatzung vor 2000 Jahren als nach und nach berühmte Rabbiner wie Rabbi Akiva oder Rabbi Gamliel hingerichtet wurden. Die damaligen 10 Märtyrer repräsentieren die 10 Brüder.

Dennoch kommt der Arizal genauso wie andere Kommentatoren noch zu einem ganz anderen Ergebnis. Die Brüder Yosefs sahen in ihrem Verhalten absolut nichts Unrechtes. In den vorherigen Generationen war es immer wieder der Fall gewesen, dass einer aus der Familie das schwarze Schaf war. So hatte Avraham einen Ishmael, der zuerst schlechten Charakters war (bis er zu G - tt zurückkehrte, siehe Talmud Traktat Bava Batra 16b) oder Yitzchak hatte einen Esav. Automatisch kamen die Söhne Yaakovs zu der Erkenntnis, dass auch in ihrer Familie ein schwarzes Schaf umgeht; nämlich Yosef.

Yosef war in ihren Augen arrogant und schminkte sich sogar. Er stutzte sein Haar und schminkte seine Augen wie zur damaligen Zeit üblich. Hinzu kamen seine Träume, in denen sie ihm dienten. Das war zuviel und die Brüder sahen in Yosef eine Gefahr. Der Ramban sowie Rabbeinu Bachya sehen die Gründe des Verkauf des Yosef besonders bei der Verkündung seiner Träume und die Brüder handelten aus Neid (siehe auch Rabbi Samson Raphael Hirsch).

Aber können wir wirklich nur den Brüdern die Schuld in die Schuhe schieben ? Die Gemara im Talmud Traktat Schabbat 10b lehrt, dass ein Elternteil niemals ein Kind besonders bevorzugen soll. Dies rufe den Neid der Geschister hervor. Und wenn unsere Vorväter auf solch einem hohen geistigen Level waren, wieso hielten sich sich nicht an diese einfache Regel ?

Rashi und Rabbi Samson Raphael Hirsch nehmen Yaakov etwas in Schutz und kommentieren, dass Yaakov Rachel liebte und Yosef nun einmal deren gemeinsamer Sohn war. Yosef erinnerte ihn an Rachel. Außerdem sah Yaakov sich selbst in Yosef, denn alles was Yosef wiederfuhr, geschah schon seinem Vater. Beide waren die Mißliebigen in der Familie und beide lebten im Ausland. Dass sich Yosef mit seiner Schminkerei kindisch benahm und er hier und da auch schon einmal seine Brüder beim Vater verpetzte, übersah Yaakov.

Andererseits gibt es auch ganz andere Meinungen zu dem Fall. Yosef musste zwangsläufig in der Diaspora landen, denn G - tt hatte vorbestimmt, dass die Juden in die ägyptische Diaspora gehen. Alles in unserem Leben ist vorbestimmt durch G - ttes Pläne und an dieser Stelle sind wir wieder zurück beim Thema des "Freien Willen". Wieviel "Freien Willen" haben wir wirklich in unserem Leben und was sieht G - tt für uns vor ?

Anscheinnd müssen wir schwere Zeiten erleiden oder im Leben immer wieder Umwege gehen, um ans eigentliche Ziel zu kommen. Wenn wir sauer sind, diesen oder jenen Job nicht bekommen zu haben, dann sind wir enttäuscht vom Leben, weil wir glauben, gerade der Job sei das Richtige für uns gewesen.
Wäre er das wirklich ?
Vielleicht hätte sich hinterher das genaue Gegenteil herausgestellt oder unser Leben wäre schlimmer geworden als zuvor.
Nicht alles, was wir im Leben wollen, muss immer gut für uns sein und manchmal kommt es vor, dass G - tt uns vor zu schnellen Fehlern bewahren will. Das Problem ist nur, dass wir es in dem Moment nicht verstehen.

Der chassidische Kommentator Shem MiShmuel misst daher der Geschichte des Yosef ganz anderen Wert bei. Der Verkauf des Yosef musste erfolgen, um die Juden in die Diaspora nach Ägypten zu bringen. Und der ebenso große chassidische Rabbiner, der Chozeh (Seher) von Lublin, Rabbi Yaakov Yitzchak Horowitz, fügt noch einen weiteren philosophischen Aspekt hinzu.
Sollen wir das Wort "Neid" immer nur negativ betrachten ?
Nein, meint der, denn Neid kann durchaus positiv sein. Nämlich in dem Moment, indem ich andere Menschen um deren gute Eigenschaften beneide. Dies wiederum ruft eine innere Veränderung in mir hervor, die mich zum Positiven bewegt. Bei den Brüdern hingegen war der Neid nur negativ.

Der erste aschkenasische Oberrabbiner Israels, Rabbi Kook (Kuk) sieht die Grube, in die Yosef geworfen wurde als Metapher für die Diaspora.

"Und die Grube war leer, es war kein Wasser darin".
Wieso erzählt uns das die Thora überhaupt ? Reicht es nicht zu sagen, dass die Grube leer war ?

Der Talmud Traktat Schabbat 22a lehrt den Grund dafür. Wer sagt, dass die Grube leer ist und sich auch kein Wasser in ihr befindet, der deutet an, dass die Grube voll Schlangen und Skorpione war. Allerdings hatten die Brüder davon keine Ahnung und achteten auch nicht darauf (siehe den Ramban).

Rabbi Kook vergleicht eine dunkle Grube mit derlei Getier mit der Diaspora. Gerade dort werden die Juden mit allen nur erdenklichen äußeren Einflüssen konfrontiert und ausgerechnet Yosef zeigt uns den Weg, wie wir dennoch unsere jüdische Identität und unsere Werte beibehalten. Yosef war der Meinung, dass wir uns den anderen Völkern mehr entgegenstrecken sollen. Mit anderen Worten, wir können uns nicht abkapseln, sondern müssen genauso mit ihnen Leben. Zum Beispiel in der Geschäftswelt oder im Freundeskreis. Eine Öffnung bedeutet jedoch nicht "Mischehen" einzugehen oder das Wertesystem der anderen zu übernehmen, denn auch für Yosef gab es eine Grenze der Offenheit. Die Thora und ihre Inhalte dürfen nie ad acta gelegt werden.

Yosefs Bruder Yehudah dagegen war mehr für die absolute Aufrechterhaltung der Heiligkeit (Kedusha) und der Separation. Rabbi Kook vergleicht beide Charaktäre mit dem Kampf der Makkabäer gegen die Griechen. Da die Parashat Vayeshev immer in die Chanukkah - Zeit fällt, suchen wir natürlich nach Zusammenhängen zwischen ihr und Chanukkah.

Gerade zur Zeit der griechischen Besatzung verschrieben sich viele Juden dem Hellenismus. Man wollte so sein wie alle anderen Völker auch, nur G - tt spielte bei dem Spiel nicht mit. Das gleiche Schicksal wird auch uns irgendwann wiederfahren, wenn wir uns nicht an die Thora halten und meinen selbst entscheiden zu können was wir brauchen und was nicht.

Aber es gibt noch eine andere Verbindung zwischen dieser Thoralesung und dem am Dienstag Abend (4. Dez.) beginnenden Chanukkah - Fest.
Yosef und die Makkabäer zeigen uns, dass es immer Hoffnung im Leben gibt. Und sei alles auch noch so trist, niemals sollten wir uns hängenlassen und aufgeben, denn schnell kommen auch wieder andere Zeiten.

Shabbat Shalom und vorab Chanukkah Sameach.


Träume, Träume, Träume

Passend zur Parasha ein paar Gedanken zum Thema "Träume im Judentum"

Ein ganz wichtiger Punkt ist zu unterscheiden zwischen Träumen und Prophezeihungen, wie die Propheten sie hatten. Obwohl die Gemara im Talmud Traktat Berachot 57b lehrt, das Träume Einsechzigstel Prophezeihung sind, ist das Thema mit Vorsicht zu geniessen. Nicht jeder der träumt, ist gleich ein Prophet. Zwischen beiden Variationen besteht ein immenser Unterschied.

Jeden abend vor dem Zu - Bett - Gehen bitten wir G - tt im Bedtime Shema - Gebet, uns vor Alpträumen zu bewahren. Rabbi Elie Munk erklärt dazu in "World of Prayer" das unsere Ideen und Phantasien, welche wir tagsüber haben, uns des nachts keine Alpträume bereiten sollen.

Im Talmud Berachot gibt es sehr viele Diskussionen ueber Träume. Rabbi Shmuel bar Nachmani sagte im Namen von Rabbi Yonatan: Im Traum wird Leuten weiter nichts gezeigt als das, was sie tagsueber denken (55b).
Die Psychologie sieht das genauso; im Traum verarbeitet unser Unterbewusstsein tagsüber Erlebtes.

Die Gemara in Berachot (55a) legt sehr viel Wert auf Trauminterpretationen. Zu Tempelzeiten oder in der Antike überhaupt gab es dafuer Traumdeuter. Denn schon Rabbi Chisda sagte: Ein nicht interpretierter Traum ist wie ein ungelesener Brief.
Rabbi Chisda faehrt fort, dass ein schlechter Traum besser sei als ein guter. Rashi erklaert hierzu, dass ein schlechter Traum uns zur Umkehr bewegt. Und die Baraita lehrt, dass König David Zeit seines Lebens nur schlechte Träume hatte. Deshalb wog er seine Taten sehr vorsichtig ab.

Laut Maharsha gibt es z.B. Träume, in denen ein bestimmtes Symbol vorkommt. Ein Haus, eine Tasse, ein Apfel etc. Dinge stehen gewöhnlich fuer unterschiedliche Ereignisse und benoetigen Interpretation.

Das kabbalistische Buch Zohar lehrt, dass des nachts unsere Neshamot (Seelen) unsere Koerper verlassen und zu G-tt aufsteigen. Im Schlaf wohlgemerkt. Auf ihrer Reise nach oben durchlaufen sie verschiedene Stationen, auf denen sie negativ beeinflusst werden koennen. Nicht immer kommen die Neshamot (Seelen) auch oben an.

Eine so negativ beeinflusste Neshama (Seele), welche nicht oben ankommt, sondern vorher in den Koerper zurueckkehrt, kann ihrem Besitzer falsche Träume vorgaukeln.
Die aufsteigende Neshama während des Schlafes versetzt, halachisch betrachtet, den Koerper in einen Todeszustand. Daher waschen wir uns morgens nach dem Aufstehen die Hände, um die Unreinheit des Todes loszuwerden. Chassidim gehen sogar noch weiter: Neben ihrem Bett steht immer eine mit Wasser gefuellte Schuessel, damit sie gleich vom Bett aus ihre Hände waschen koennen.

Ich wuensche allen gute Naechte und keine Alpträume.

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Rashi: Rabbi Shlomo Yitzchaki, 1040 - 1105. Lebte in Frankreich und war einer der beruehmtesten Talmud - u. Thora - Kommentatoren.

Maharsha - Rabbi Samuel Eidels, 1555 - 1631. Beruehmt fuer seinen Talmud - Kommentar. Geboren in Krakau / Polen. Seine Mutter Gitel war eine Cousine des Maharal von Prag.

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