Dienstag, Juni 24, 2008

Tot ohne Leiche

B"H

In der Mischna im Talmud Schabbat 151b heißt es, dass jemand, der einem Sterbenden die Augen schon vorzeitig zudrückt, als Mörder gilt.

Auch wenn keinerlei Hoffnung mehr besteht und der Sterbende eh in wenigen Minuten diese Welt verlassen sollte, dürfen ihm die Augen erst nach dem offiziellen Tod zugedrückt werden. Die Gemara stellt die Frage, ob das vorzeitige Augenzudrücken nicht den Tod des Sterbenden beschleunigt. Man stelle sich vor, jemand liegt im Sterben und dann kommt ein anderer unverhohlen daher und drückt schonmal eben so die Augen zu. Bekommt man da als Sterbender keinen Schock ?

Der große Kommentator Raschi erklärt, dass in solch einer Situation, in welcher einem Sterbenden vorzeitig die Augen zugedrückt werden, dies JA den Tod beschleunigen kann. Jemand sollte schon eine gewisse Zeit mit dem Augenzudrücken warten, denn der Sterbende könnte theoretisch ganz einfach nur in eine Bewußtlosigkeit gefallen sein (siehe die Mischna Thora des Rambam - Maimonides, Hilchot Aveil 4:5).

Alle weiteren Details zum Augenzudrücken eines Toten können im Schulchan Aruch - Yoreh Deah 352:4 eingesehen werden.

Ich bin weiß G - tt kein Posek (Halacha - Experte), aber genau diese Mischna des Talmud Traktates Schabbat kam mir sofort in den Sinn als ich gestern davon hörte, dass der israel. Oberrabbiner der Armee in Erwägung zieht, die beiden von der Hizbollah entführten Soldaten Eldad Regev und Ehud Goldwasser zu "Gefallenen mit unbekannter Grabstätte" zu deklarieren. Eigentlich hätte dieser Tage ein Gefangenenaustausch mit der Hizbollah stattfinden können, doch der Oberrabbiner der Armee entscheidet offensichtlich anders. Da völlig unklar sei, ob Goldwasser und Regev noch am Leben sind, müsse man nachdenken, ob sich der Deal mit der Hizbollah überhaupt lohne.

Seine obskuren Thesen entnimmt der Rabbi der Tatsache, dass solange keine Leichen vorhanden sind oder anderes bewiesen ist, Personen für "tot ohne bekannte Grabstelle" anerkannt werden können.

Einmal abgesehen vom Fall "Regev - Goldwasser", ist das nicht alles ein wenig zu voreilig ? Sind wir nicht gezwungen, daran zu glauben, dass jemand noch am Leben ist, solange nicht eindeutig Gegenteiliges bewiesen ist ? Dürfen wir jemanden so einfach abhaken, nur weil uns die Situation eh ausweglos erscheint ?

Ich denke, dass die Gemara in Schabbat das beste Beispiel für das genaue Gegenteil darstellt. Wer jemanden zu früh aufgibt, ist ein Mörder. Immerhin sind bezüglich der beiden entführten Soldaten erst zwei Jahre vergangen. Andererseits haben DNA - und anderweitige Blutuntersuchungen ergeben, dass zumindest einer der beiden Soldaten bei der Entführung seinen Verletzungen offensichtlich erlag. Aber wer kann dies schon alles mit Gewißheit bestimmen ?

Der große, aber leider schon verstorbene Halacha - Experte, Rabbi Moshe Feinstein, entschied einmal für Frauen, deren Ehemänner im Holocaust umkamen. Genauso übrigens für Männer, deren Frauen im Holocaust umkamen. Die halachischen Urteile sind in den Bänden des Rabbis "Iggerot Moshe" einzusehen. Es wäre interessant zu erfahren, wie Rabbi Feinstein in diesem Falle entschieden hätte.

Meiner Meinung nach mag die eventuelle Entscheidung des Armeerabbis zwar auf gegebener Realität basieren, doch braucht er sich nicht zu wundern, wenn er die Angehörigen der Soldaten gegen sich hat. Ist nicht das Menschliche wichtiger ? Das Menschliche, dass den Familien zumindest die Hoffnung bleibt. Wie soll jemand ohne Hoffnung diese Situation durchstehen ?

Natürlich müssen die Angehörigen auch realistisch denken, aber ist es nicht gerade die Hoffnung, die uns durch das Leben bringt ? Egal wie.

2 Kommentare:

  1. Wir müssen verstehen, dass das Statement des Armeerabbiners politisch ist.
    Warum?
    Die Hisbolla kann auf dieser Basis nicht den gleichen Preis verlangen.
    Die Sache mit der Hoffnung ist eine andere. Die ist hier privat.
    Natürlich ist dies für die Angehörigen schmerzlich.

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  2. B"H

    Wenn Gewissheit bestehen wuerde, dass die beiden Soldaten nicht mehr am Leben sind, waere ich absolut gegen eine Freilassung Kuntars.

    Das Ganze gleicht einer Farce bei der die Hizbollah einfach nur mit den Gefuehlen aller spielt.

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