Mittwoch, Juni 25, 2008

Fragen ohne weltliche Antwort

B"H

Wie jeder andere auch, habe ich die Religion betreffend viele Fragen. Fragen, auf die ich versuchte und insgeheim noch immer versuche, eine Antwort zu finden. Man soll ja niemals aufgeben.

Es gibt ein ganz besonderes Konzept, was mich stört. Eigentlich zwei und hoffentlich gelingt es mir, diese beiden Punkte thematisch zu verbinden. Ich beginne mit dem zweiten Konzept. Übrigens bedeuten meine Ausführungen keineswegs, dass ich nicht daran glaube oder alles anzweifele. Aber eben weil ich daran glaube, stelle ich mir so meine eigenen Fragen und mache mir persönliche Gedanken.

Das Erste, was mich stört, sind die Inhalte, welche uns der Talmud Sanhedrin, Halachot oder viele andere jüdische Kommentatoren, Kabbalisten oder Philosophen bezüglich der Ankunft des Meschiach darlegen (siehe Links unten).

Fast alle Inhalte besagen, dass wir nach der Ankunft des Meschiach auf einem absoluten seelischen Hoch sein werden, nicht mehr sündigen oder anderweitige Vergehen begehen. Kurz gesagt, nur noch G - ttes Willen erfüllen.
Was mich daran stört ?
Vielleicht ist stört sogar das falsche Wort, aber für mich persönlich ist es absolut undenkbar, keinen individuellen freien Willen mehr zu haben. Zugegeben, nicht mehr zwischen Gut oder Böse unterscheiden zu müssen, kann schon entspannend und weniger nervenaufreibend sein. Nach der Ankunft des Meschiach fallen nämlich negative Charaktereigenschaften weg und es gibt nur noch Gutes. Genauso wie wir daran glauben, dass alles zwar dermaßen negativ ausschaut, sich im Endeffekt jedoch zum Guten wendet.

Okay, es gibt nur noch GUT. Was aber geschieht mit meinem freien Willen ? Bin ich nicht eine Art Zombie, wenn ich automatisch und ausschließlich den Willen G - ttes erfülle. Seinen Willen und sonst nichts.

Klingt das egoistisch ?
Denke ich nur an mich und an meinen freien Willen ?
Vielleicht, aber meiner Meinung nach sind wir als Menschen mit freiem Willen erschaffen worden und wozu braucht G - tt uns, wenn wir alle nur noch nach Seiner "Pfeife tanzen" ?

Aber sind wir nicht andererseits G - tt gegenüber verpflichtet, alles zu tun, was Er will ? Schließlich hat Er unsere Welt und uns erst erschaffen. Ohne Ihn würden wir gar nicht existieren.
Aber wieso erschuf Er uns dann zu Beginn mit einem freien Willen, heißt der Wahl zwischen Gut und Böse ?

Laut Kabbalah erschuf Er uns so, damit wir einen Tikun (Seelenreparatur) verrichten. Anhand der Thoramitzwot sollten wir die Welt auf einen hohen relig. und moralischen Stand bringen und so die Ankunft des Meschiach herbeiführen. Aber bedeutet dieses "Endprodukt" gleichzeitig, dass nach dessen Ankunft für meinen freien Willen der Ofen aus ist und ich quasi zur Marionette werde ?

Kein einziger Rabbiner, Philosoph, Gelehrter oder Kabbalist kann das jüdische Konzept des FREIEN WILLEN genau definieren. Was ist der freie Wille überhaupt und wie weit reicht er ?

Aus dem Talmud erfahren wir, dass G - tt alles weiß. Er kennt unsere Zukunft, unsere Vergangenheit, unsere Gegenwart, unsere Gedanken und viele sagen, dass Er genau weiß, wie wir uns entscheiden und für was. Inwieweit beeinflußt G - tt unseren freien Willen, ohne das wir dies je bemerken ?

Und hier beginnt Punkt Nummer 2, welcher mich an einem relig. Konzept stört.

Jüdische Gelehrte, einschließlich des Rambam (Maimonides) streiten sich, inwieweit wir Menschen tatsächlich einen freien Willen haben. Manche sagen, der freie Wille sei nur eine einzige Illusion unsererseits. G - tt lenke alles und somit lenke Er auch unsere Gedanken, Handlungen und Taten.

Nehmen wir einmal an, Er lenkt alles und wir haben keinerlei freien Willen ?

Wieso also sündigen wir dann ? Wenn nur Er allein unser Handeln bestimmt, dann müßten wir doch folglich auf einem hohen geistigen, seelischen sowie relig. Niveau handeln ? Was ist dann mit unseren Vergehen ?

Und sind wir demnach überhaupt für unsere Vergehen verantwortlich zu machen ? Jeder Kriminelle könnte demnach behaupten, dass er ja gar nicht anders konnte, sondern G - tt sein Handeln bestimmte.

Oder warum sollten wir dann für die Nichteinhaltung der Mitzwot etc. zur Rechenschaft gezogen werden ? War es nicht G - tt, der uns so handeln ließ ?

Und was ist mit mir, dem kleinen menschlichen Individuum ? Wo stehe ich ? Bin ich hier nur ein Versuchsobjekt an Marionettensträngen, welches gemäß G - ttes Befehlen agiert ?

Für uns Menschen ist es doch viel positiver zu glauben bzw. zu wissen, dass wir die Freiheit haben, Fehler begehen zu dürfen, die Wahl zwischen Gut und Böse haben und überhaupt in der Lage sind, alleine Entscheidungen zu fällen. Wohin sei ich denn degradiert, wenn ich denn nur am G - ttesstrang hänge ?

Die perfekte chassidische Antwort daraufhin lautet, dass man halt an einen G - tt glauben muß, der weiß, was Er tut und dementsprechend handelt. Wir haben nicht das Recht, Seine Gründe zu hinterfragen. Gründe, die unser menschlicher limitierter Verstand eh nicht in der Lage ist zu begreifen. So lautet die Antwort auf alle Fragen. Und wenn nicht diese Antwort, dann jene, dass wir es halt nicht wissen. Wie denn auch ? G - tt hat uns diesbezüglich noch nicht informiert.

Wie ich eingangs bereits sagte, hege ich keine Zweifel am Meschiach und dem Konzept des freien Willens. Dennoch ist es in meinen Augen etwas merkwürdig zu erfahren, dass ich einmal auf solch einem Level sein werde, wo ich an nichts anderes mehr denke als G - ttes Willen zu erfüllen. Einige mögen nun einwerfen, dass genau dieser Zustand ja das optimale Ziel meines Daseins ist. Trotzdem habe ich Probleme mit dem Wissen, ohne freien Willen leben zu müssen oder mich ständig zu fragen, ob ich nun das Richtige tue oder nicht. Wie weit reicht unsere Illusion oder ist alles doch keine Illusion ?

Kein Wunder, dass gerade der Hollywood - Film "The Matrix" innerhalb der jüdisch - orthodoxen Community so erfolgreich war. Je mehr Thora etc. wir lernen, desto mehr interessiert uns eine Antwort auf all diese Fragen. Nicht unbedingt den Sinn des Daseins, wie den Rambam im "Moreh Nevuchim - Führer der Unschlüssigen (Kapitel 13)", aber vielmehr die Frage, inwieweit G - tt mein Leben tatsächlich bestimmt.

Festzustellen bleibt, dass es keinerlei definitive Antworten auf all jene Fragen gibt, sondern nur Spekulationen und Vermutungen. Es darf also weiter gerätselt werden und die alleinige Antwort kann uns nur G - tt selber geben, von dem wir gar nicht wissen, wer Er eigentlich ist.


Links:

Der jüdische Meschiach - Teil 1

Der jüdische Meschiach - Teil 2

2 Kommentare:

  1. Anonym11:30 PM

    Hallo

    In meiner Schulzeit lernte ich Mesillus Jeschorim. Ich finde es gibt die Antwort auf Frage 1.

    Die Menschen haben seit der Erschaffung die Bechira. Auch Adam und Chava hatten sie schon bevor der Sünde. Das einzige was änderte war, das vorher wusste man genau was ist gut und was ist bös. Nach der Sünde sehen wir das nicht.(Es gibt denn Bereich grau.)
    Nach dem Moschiach kommt wird es so wie vor der Sünde. Einziger Unterschied es gibt den Jezer Hara nicht mehr. Den freien Willen hast du, man wird bloss nicht mehr wollen sündigen.
    Ich habe das mal in einem Schiur gehört, leider kann ich dir keine Quellen nennen.

    Gut Schabbes

    M.G

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  2. B"H

    Die Frage ist nur, inwieweit meine Yetzer reicht, denn besitzt man erst einmal einen hoeheren Seelenlevel, dann verspuert man, trotz Freier Wahl, keinerlei Drang mehr, Negatives zu tun.

    Der Seelenlevel veranlasst mich also, nur noch den Willen G - ttes zu tun, und dies kommt, meiner Meinung nach, dem Handeln eines Roboters gleich.

    Aber mit Punkt 1 hast Du recht:
    Adam und Eva hatten von Beginn an die Freie Wahl zu tun und zu lassen, was sie wollten.

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