B"H
In gewissen Bereichen fällt es mir eher schwer, mich zu artikulieren, und genau an diesem Punkt bin ich einmal wieder angelangt. Ich versuche mich dennoch so klar wie nur möglich auszudrücken:
Wie mehrmals schon erwähnt, war ich vor etwas mehr als zehn Jahren aktiv in der relig. Szene in Jerusalem tätig. Haredim (Ultra - Orthod.) hier und Shiurim (relig. Unterricht) dort. Aufgrund einer persönlichen Krise verliess ich alles und seilte mich für einige Zeit nach Deutschland ab, um Abstand zu gewinnen. Genau den gewann ich dann auch, obwohl mir die Haredim und das Leben drumherum schnell fehlten.
Zurück in Israel, kam ich sofort wieder in Kontakt mit meiner alten Vergangenheit. Doch eines versprach ich mir bis hin in alle Ewigkeiten: Niemals wieder stürze ich mich in die haredische Gesellschaft und begehe die gleichen Fehler. Nicht, dass alles erneut mit einem Nervenzusammenbruch endet. Gesagt, getan und alles ging gut. Obwohl ich ständigen Kontakt mit der Szene halte und mehr oder weniger wieder in ihr lebe, ist es mir erfolgreich gelungen, mich trotzdem immer auf Distanz zu halten. Nur nicht zuviel involvieren und in eine weitere Krise geraten. Eine Tatsache, vor der ich nur jeden anderen ebenfalls warnen kann.
Mein erfolgreiches Rezept basiert auf Folgendem:
Einige Tage halte ich das haredische Leben mit allen seinen Aktivitäten aus, aber gleichzeitig benötige ich andere Tage, um mich auch zurückziehen zu können. So habe ich mir meine eigene Waage geschaffen: Drei Tage hier, drei Tage dort, Schabbat aber immer bei den Haredim.
Bisher funktionierte alles blendend. Fast acht Jahre lang keine Probleme gehabt. Zuerst dachte ich, dass mich meine Wege zu den Chassidim und die Tatsache, dass ich mich mit dem Thema mehr als intensiv auseinandersetze, mich in sämtliche vorherige Krisen zurückkatapultieren könnte. Aber nichts da. Nichts dergleichen geschah.
Eine Fastkrise gab es dann aber doch. Und zwar als eine ganz junge Frau bei einem der chassidischen Tische auf mich zukam und mir deutlich machte, dass sie mit mir reden wolle. Einfach so aus dem Nichts. Ich hatte diese Frau bis dahin nur einmal kurz gesehen und das war Wochen her. Nie hatte ich auch nur ein Wort mit ihr gewechselt. Und eines nachts bei einem der Tische mit dem Rebben stand sie plötzlich vor mir und fragte, ob ich mich an sie erinnere. Ich fiel fast aus der Bank in der Synagoge und dachte: "Alles, nur das nicht."
Mir war klar, dass die Frau Probleme hatte und sie diese mit einem Außenstehenden besprechen wollte. Aber mußte das gerade ich sein ? Ausgerechnet. Wo ich doch meine eigenen Dinge aufzuarbeiten habe. Weiterhin dachte ich, dass wenn es zu einem Gespräch kommen täte, sie und ich Probleme mit der Gruppe bekommen. Und das ist eine ernste Angelegenheit. Vielleicht glücklicherweise oder auch nicht, wer weiß das schon, kam es nicht zu dem Gespräch.
Soweit hatte ich noch keine emotionalen Probleme mit irgendeiner chassidischen Gruppe. Ich gehe dorthin, in die Synagogen oder zu den chassidischen Rebbe - Tischen, rede mit Leuten oder auch nicht, und das wars. Innerhalb der Woche nehme ich gewöhnlich Abstand, es sei denn, es steht eine Hochzeit an, wie morgen, wenn einer der Enkel des Toldot Aharon Rebben heiratet. Dann gehe ich natürlich zur Hochzeit.
Seit letztem Schabbat jedoch ist alles etwas anders. Wenn ich normalerweise in die chassidischen Synagogen gehe, schaut es so aus, dass man zwar kurz angeschaut wird, aber in dem Moment, wo man sein Sidur (Gebetbuch) aufschlägt, schauen die anwesenden Betenden schon nicht mehr hin. Jeder macht sein eigenes Ding und meistens redet man nach dem G - ttesdienst oder auch nicht.
Als ich am letzten Schabbat Morgen in die Toldot Aharon Synagoge in Mea Shearim trat, wurde ich bis zum G - ttesdienstende nicht mehr aus dem Augen gelassen. Ich trat ein und um 10.00 Uhr früh waren nur wenige Frauen auf der Empore anwesend. Die Mehrheit kam erst kurz darauf. Ich setzte mich etwas entfernt von den anderen Frauen, aber dennoch gleich hinter die weisse Metallmechitzah (Trennwand zu den betenden Männern im Untergeschoß). Ich sollte vielleicht erwähnen, dass in chassidischen Synagogen der Ritus etwas anders verläuft. Der G - ttesdienstablauf ist zwar formell geregelt, doch betet nicht jeder still vor sich hin. Alle Chassidim schreien ihre Gebete emotional und individuell heraus, was es mir manchmal unmöglich macht, die genauen Gebetsworte zu verstehen, da alle durcheinanderrufen. Deshalb benötige ich jedesmal eine gewisse Zeit, die richtige Seite in meinem Sidur zu finden. Gewöhnlich frage ich, wo wir sind, aber bei Toldot Aharon unterliess ich es vorerst. Nach wenigen Augenblicken jedoch zeigte mir eine Frau die Stelle im Sidur und seit dem Moment wurde ich nicht mehr allein gelassen.
Keine einzige der Toldot Aharon Frauen war unfreundlich. Im Gegenteil, alle waren total nett. Dennoch war es mir unmöglich, mich auf G - tt oder irgendwelche Spiritualität zu konzentrieren. Immer hatte ich das Gefühl, alles richtig machen zu müssen und das brauchte Konzentration. Und ständig wurde ich von den Frauen angesprochen.
"Wir sind jetzt bei dem Vers, ah den hast Du nicht, weil du unseren Ritus nicht kennst".
"Der Rebbe ist gerade hinausgegangen und macht eine Pause".
"Was hast Du bisher gelernt ?"
"Kennst Du die chassidische Gruppe und jene ?"
"Kennst Du den Rebben oder den ?"
"Was sagst Du zu dem Brauch und jenem ?"
Eine Frau kam auf mich zu und gab mir Süssigkeiten, die ich erst nicht annehmen wollte. "Bring es Deinen Enkeln mir", sagte ich zu ihr. Sie bestand darauf, dass ich die Süssigkeiten in meine Tasche stecke. Wenige Sekunden später rief sie "Shemonah Esrei (ein wichtiges Gebet innerhalb des Judentums)" und alles rannte, um sich aufzustellen.
Nach dem Kaddisch am Schluß folgt "Aleinu". Ich war schon bereit als ich andere Verse vernahm. Eine andere Frau neben mir zeigte mir ihr Sidur und meinte, der Rebbe füge noch ein weiteres Gebet ein. Der hauseigene Brauch.
Am Ende kam ich mit riesigen Kopfschmerzen und total erschöpft aus der Synagoge. Draußen atmete ich erst einmal durch.
Um mich deutlich auszudrücken:
Alle Frauen waren furchtbar nett und hilfsbereit. Niemand bedrängte mich auch nur im Entferntesten.
Was aber geschah war, dass ich meine eigene emotionale Krise entwickelte. Mir war das alles zuviel und zu intensiv. Intensiv ist die passende Beschreibung.
Es ist die Intensivität der Gruppe, die ich bei keiner weiteren chassidischen Gruppe jemals erlebt habe.
Wie gesagt, gehe ich morgen wieder zu den Toldot Aharon, um die Hochzeit des Rebbenenkels zu sehen. An diesem Schabbat wird erneut ein wichtiger Synagogeng - ttesdienstpart stattfinden, denn es ist wieder Schabbat Chatan, da es nächste Woche eine weitere Hochzeit gibt. Meine Teilnahme an der morgigen Hochzeit ist sicher, doch bin ich noch am Grübeln, ob ich an diesem Schabbat wieder in deren Synagoge gehe.
Wenn ja, wird die Intensivität noch höher, denn einige Frauen kennen mich schon und ich bin keinesfalls mehr anonym.
Dienstag, Februar 26, 2008
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen