B"H
In einem Shiur (relig. Vortrag) kam ein Thema zur Sprache, welches leider in der heutigen jüdischen Orthodoxie überwiegend undiskutiert ad acta gelegt wird. Und manchmal ist der Vorwurf, die Orthodoxie sei eine reine Männergesellschaft, nicht ganz unangebracht. Insbesondere dann, wenn man die Rolle der Frau in der Historie mit ihrem aktuellen Gegenpart vergleicht.
Erstes Beispiel:
Unsere Vormütter Sarah, Rivka (Rebekka), Rachel und Leah.
Sie waren alles andere als die verlassenen Hausmütterchen, sondern spielten eine aktive Rolle bei der Gründung des Jüdischen Volkes. Jede von ihnen hatte eine direkte Verbindung zu G – tt und war somit die zweite spirituelle Hälfte ihres männlichen Gegenparts.
Zweites Beispiel:
Die Prophetinnen Yael und Devorah (Deborah).
Hierzu ist anzumerken, dass Devorah (Deborah) nicht der wirkliche Name der Prophetin war, sondern es handelte sich lediglich um ihren Titel. Zur damaligen Zeit wurde jede prophezeihende Frau, die unter einer Palme saß, "Devorah" genannt.
Genau das ist es, was heutzutage an vielen Stellen zu kurz kommt: die Jüdische Geschichte.
Wer kennt sich heute noch gut aus und welche Yeshiva (relig. Schule) lehrt schon talmudische Geschichte oder die Hasmonäer ?
Wer kennt schon Schlomzion HaMalka, die das Oberhaupt des letzten unabhängigen Staates Israel (bis zur Neugründung im Jahre 1948) war ? Und was ist mit Rachel, der Frau Rabbi Akivas, oder Beruriah, die Frau Rabbi Me'irs und zugleich Tochter des von den Römern hingerichteten Rabbi Tardyion ?
Wie auch immer die Rolle der Frau im orthodoxen Judentum heutzutage definiert wird; die Frauen in der Antike trugen wesentlich mehr zum spirituellen Leben bei als so manche derzeitig anwesenden Frauen.
Aber ist es die Schuld der Frau, wenn sie in eine Rolle hineingezwungen wird ?
Beteten in der Antike Yitzchak und Rebekka (Rivka) noch zusammen in einem Raum, beriet Beruriah ihren Gatten Rabbi Me'ir halachisch und spirituell, wo finden wir in unserer Zeit passende Gegenbeispiele ?
Wer genau hinschaut, der findet auch heute solche Frauen. Nur ist es speziell in haredischen (ultra – orthod.) Kreisen nicht unbedingt zu sehr publik. Daheim kann die Frau schon einige Weisheiten von sich geben, aber in bestimmten haredischen Zirkeln wird das öffentliche Auftreten nicht gerne gesehen. Die haredische (ultra - orthod.) Tageszeitung "Yeter Ne'eman" retouschierte sogar die einzige Richterin der Winograd - Kommission aus dem gemeinschaftlichen Gruppenphoto der Kommission. Abbildungen von Frauen sind in haredischen Zeitungen untersagt.
Wie konnte es also geschehen, dass die Rolle der Frau im Judentum im laufe der Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende an Bedeutung einbüßte ?
Nach der Zweiten Tempelzerstörung durch die Römer im Jahre 70 nach Beginn der Zeitrechnung, mußte teilweise umdisponiert werden.
Das Leben in der Diaspora begann und ganz langsam übernahmen die Juden die Mentalitäten ihrer neuen Heimaten (Babylon, Spanien, etc.). Die Familie stand im Vordergrund, um ein Überleben des Judentums zu gewährleisten. Aber nicht nur die Familie, sondern auch die Bildung der Kinder. Religiöse Erziehung hat im eigenen Haushalt ihre Wurzeln. Immer mehr traten die Frauen langsam in den Hintergrund, verschwanden jedoch nie ganz von der orthodoxen intellektuellen Bildfläche. Als Beispiel seien hier nur die Töchter des großen Thora – sowie Talmudkommentators Rashi (Rabbi Schlomo Yitzchaki, 12. Jahrhundert) genannt. Sie waren herausragende Talmudschülerinnen.
Wenig später erfahren wir kaum noch etwas über die Rolle der jüdisch relig. Frau. Die Stille bedeutet allerdings nicht, dass es keine weiblichen spirituellen Führer gab. Eine Tatsache, die uns bis in die heutige Zeit verfolgt. Gerade in den letzten Jahren hat sich diesbezüglich sehr viel bewegt und immer mehr orthod. Frauen streben nach Höherem. Nicht nur die amerikanischen Frauen; auch die Israelinnen stehen ihnen in nichts nach.
Ich sprach mit einigen chassidischen Männern und auch Frauen zu dem Thema und die Reaktionen waren gespalten. Fast alle bedauerten, dass in unserer Zeit zu wenig Jüdische Geschichte gelehrt wird. Ein Chassid, der nebenbei eine philosophisches Buch schreibt, bedauerte diese Tatsache ganz besonders. Die chassidischen Frauen zeigten sich zwar nicht besonders geschichtsbegeistert, waren aber dennoch durchaus interessiert.
Resolute Feministinnen können argumentieren, dass die Orthodoxie die Frauen in die Küche dränge. Wer die Realität beobachtet, wird Anderweitiges erleben. Manchmal ist es schwer zu entdecken, denn nicht jede haredische Gesellschaftsschicht kann frei ihre Änderungen nach außen tragen. Innerhalb der Familien aber tut sich so einiges. Aber nicht nur dort: Man schaue sich nur einmal die Kursvielfalt an, die dem weiblichen Geschlecht angeboten wird.
Nicht jede haredische Frau ist aktiv bei der Sache. Oft erlebe ich es, dass Frau einfach nicht interessiert ist und sich daheim in ihrer Rolle wohler fühlt als auf der Emazipationsschiene.
Neulich traf ich eine absolut chassidische Frau, die auf mich einen wahnsinnig offenen Eindruck machte. Wow, dachte ich, wie gibt es das gerade in ihrer chassidischen Gruppe ? Bei zwei Punkten allerdings war ich dann doch überrascht, wie sehr sie sich einschränkt und es dann mit jeglicher Emanzipation schnell vorbei ist. Das Eine ist ihre hochrelig. Kleidung, die sie sich nicht nehmen läßt und das Zweite ist, dass sie ihrem Mann folgt. "Wenn mein Gatte es so will, dann muß ich mich unterordnen", sagte sie mir.
Historie oder nicht. Es liegt immer an der individuellen Persönlichkeit der Frau. Wie weit bildet sie sich ? Inwieweit zeigt sie überhaupt Interesse und wo will sie hin in ihrem Leben ? Und diese Lebensweise trifft nicht nur auf die jüdische Orthodoxie zu, sondern auf alle weltweiten Gesellschaftsschichten.
Ein jüdisches Geschichtsbuch sollte aber in jedem Fall zur Hand genommen werden.
Dienstag, Februar 05, 2008
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