Montag, August 25, 2008

Nicht willkommen ?

B"H

Zwei aktuelle Begebenheiten regten mich wieder einmal mehr etwas zum Nachdenken an.

Am letzten Schabbat erzählte mir meine Gastgeberin aus Mea Shearim, welche mich zum Mittagessen eingeladen hatte, dass sie am Abend zuvor einer jungen Frau, welche sich erst kürzlich entschloß, religiös zu werden, davon abgeraten hatte, sich gleich in den Chassidismus zu stürzen.

Obwohl es mit unbekannt ist, ob es sich bei der jungen Frau um eine Konvertitin zum Judentum oder eine Baalat Teshuva (geborener Jude, der später im Leben relig. wird) handelt, bin ich der Meinung, dass man nicht immer gleich abraten sollte. Meine Gastgeberin jedoch beharrte darauf und meinte, jemand Neues im gelebten orthodoxen Judetum solle erst einmal eine richtige Basis erlernen; und dazu gehören Thora und Halachot. Erst wenn ich weiß, wie ich halachisch alles zu regeln habe (Schabbat, koscher kochen, etc.), kann ich immer noch eine Richtung suchen und mich weiterbilden. Erst nach einem gewissen Studium bin ich mental gefestigt und in der Lage, mir herauszusuchen, wohin genau ich jetzt gehen möchte. Litvisch haredisch, chassidisch oder nationalrelig. Wenn chassidisch, welche Gruppe und welche Inhalte ?

Das sei alles nicht einfach und hopplahopp zu entscheiden. Und überhaupt sei Chassidut mit einigem an Mysthik und höheren Studieninhalten verbunden und ein Anfänger in der Religion könne da kaum mithalten. Das verwirre einen alles zu sehr. Chabad sei eh auf diesem Gebiet ein Meister. Werben wie verrückt neue Leute an und hetzen sie in die Mystik. Von Halachot kaum Ahnung, aber den Tanya lernen. Soetwas sei keine Basis geschweige denn ein ausreichendes Fundament.

Ich versuchte der Gastgeberin klarzumachen, dass jeder Jude halt seinen eigenen Zugang zur Religion bzw. zu G - tt habe. Der eine fühlt sich wohler, indem er Thora lernt, der andere mit Talmud und wieder jemand anderes anhand des Chassidismus. Nicht jeder sei gleich und mysthisch oder chassidisch gesprochen, müsse halt jeder von uns seine Seelenwurzel suchen, welche uns den Weg zu einer Devekut (Verbindung) mit G - tt weist.

Diese Argumente ließ die Gastgeberin nicht gelten und pochte auf ein Fundament. Und vor allem Chabad biete kein Fundament, um diese Gruppe einmal als Beispiel zu nennen.

Gestern dann hatte ich ein anderes, wenn auch etwas ähnliches, Erlebnis.

Ein Bekannter, ein Chassid einer etwas mehr oder weniger offeneren Gruppe, fragte mich, ob ich zwei Mädels unter 26 Jahren kenne, die einen Ehepartner (Schidduch) suchen. Ich meinte, dass ich da ein paar Mädels aus der litvischen Girls - Yeshiva "Neve Yerushalaim" kenne; aber die seien halt litvisch und nicht chassidisch.
Der Chassid winkte ab und meinte, er wolle seine Söhne mit Mädels verheiraten, welche selbst aus einer chassidischen Gruppe stammen bzw. chassidisch aufwuchsen. Keine Konvertiten zum Judentum oder Baalei Teshuva (geborene Juden, die erst im späteren Verlauf ihres Lebens relig. geworden sind).

Ich fragte den Chassid nach seinen Gründen hierfür und er nannte mir so einige. Erstens sei es immer problematisch mit den Eltern der Gegenpartei, heißt des etwaigen Ehepartners, denn sie seien ja wohl kaum relig. Und was soll man da mit einer absolut säkuleren oder nichtjüdischen (bei Konvertiten) Familie anfangen ?
Des Weiteren gebe es nicht selten Vorfälle, bei denen sich der Neuankömmling nicht in das chassidische Leben eingewöhnen kann. Dies führe dann automatisch zu Streitigkeiten. Der oder die Neue habe sich etwas anderes vom chassidischen leben erhofft und ist außerstande, die hohen Anforderungen zu bewältigen.
Mental sowie emotional.

Heiraten dagegen zwei Konvertiten oder Baalei Teshuva, so können beide ihren Ausgleich darin finden, dass jeder von ihnen das säkulere Vorleben und die damit verbundenen Anpassungsschwierigkeiten des anderen nachvollziehen kann. Ein geborener Chassid schafft dies kaum, wenn da eine neu Hinzugekommene von ihren Krisen berichtet. Sie vermisse Popmusik oder wolle jetzt einen schönen Roman lesen.

Wenn schon jemand neu hinzukommt, dann muß er sich erst einmal mindestens zehn Jahre in der haredischen Umgebung beweisen. Danach könne man weitersehen.

Viele chassidische Gruppen legen nicht unbedingt großen Wert darauf, ihre Mitglieder mit Leuten aus der eigenen Gruppe zu verheiraten. Klar, sollte derjenige aus einer etwaigen anderen chassidischen Gruppe schon einigermassen dieselben Vorstellungen und Konzepte verinnerlicht haben. Zum Beispiel sind sich Boyan und Karlin nicht unbedingt ähnlich, aber man kommt zurecht. Auch Karlin, Boyan und Chernobyl oder Bobov. Chabad läßt keinen Nicht - Chabadnik in die Gruppe, denn sie lehren und wollen ausschließlich nur ihre eigenen Konzepte.

Meine Gastgeberin verheiratete ihre Töchter auch mit Ehegatten anderer chassidischer Gruppen. Und das, obwohl sie einer Gruppe der anti - zionistischen Edah HaCharedit angehört. Ich unterhielt mich ausgiebig mit einer ihrer Töchter, welche mit einem Chassid der Gruppe Bobov verheiratet ist. Ob dies denn nicht eine große Umstellung gewesen sei ?
"Nein, wieso, fragte die Tochter. Als ich einen Bräutigam suchte, gab ich meinem Vater eine Liste mit den Charaktereigenschaften, die ich mir vorstellte. Wie soll mein Zukünftiger sein. Und ich gab ihm gewiß keine Liste mit Gruppen, denen er angehören soll.

Soweit vorerst zum chassidischen Heiratsmarkt oder Kiruv (jemanden an die Religion heranführen) - Movement. Es ist nicht immer leicht, die richtige Wahl im Leben zu treffen und hiermit meine ich nicht nur den Heiratsmarkt. Auch seinen Weg in die richtige relig. Richtung zu finden ist keineswegs immer einfach und mit vielen Hindernissen und Krisen verbunden. Allerdings sollte man mit seinen Vorstellungen immer realistisch auf dem Teppich bleiben. Und den Baalei Teshuva sei gesagt, dass ein wenig Halachoterfüllung und ein paar relig. - anständige Klamotten noch langen keinen Baal Teshuva ausmachen. Religiös zu werden bedeutet, eine innere Transformation durchzumachen und sein Leben bzw. seinen Charakter in eine andere Richtung zu lenken. Wie gehe ich mit meinen Mitmenschen um und was tue ich, damit auch die jüdische Gesellschaft sich näher zu G - tt bewegt. Wo ist da mein Beitrag ? Und dieser Beitrag kann nicht sein, dass ich auf alle anderen hinabschaue und mich ins Kämmerlein zurückziehe, weil ich meine, jetzt so toll und heilig zu sein.

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