Mittwoch, Mai 26, 2010

Gedankenl beim Beten

B"H

In meinem direkten vorherigen Beitrag sprach ich die Vielfältigkeit der halachischen Welt an. Die Halacha basiert auf der talmudischen Mischna - der mündlichen Gesetzesüberlieferung G - ttes an Moshe am Berg Sinai. Die Gemara zu jeder Mischna besteht aus den rabbinischen Diskussionen unterschiedlicher talmudischer Rabbiner. Nicht immer liefert uns die Gemara eine eindeutige Entscheidung und unterschiedliche jüdische Richtungen lernen den Talmud auf verschiedene Art und Weise. Zum Beispiel kann eine Aussage bzw. ein Gesetz zerlegt werden und es wird genauestens analysiert, wie und warum die talmudischen Rabbiner zu ihren Statements fanden. Andere wiederum schauen bei einer rabbinischen Definition auf ähnliche talmudische Textstellen und vergleichen diese miteinander bzw. benutzen sie als Quelle.

Obwohl es zu der Aussage in der Gemara (rabbinische Diskussionen) des Talmud Traktates Berachot 31a eine ähnliche Aussage in Berachot 13a gibt, beziehe ich mich an dieser Stelle einmal nur auf die Textstelle auf Seite 31a !

"EIN BETENDER MUSS SEINE GEDANKEN GEN HIMMEL RICHTEN".

Eine plausibel klingende rabbinische Aussage. Klar, sollte man sein Gebet gen Himmel (sprich G - TT) richten; an wen denn auch sonst ?

Ist das Statement aber dennoch so einfach abzuhaken ?

Im Judentum finden wir gleich mehrere Aussagen zur Konzentration (Kavanah) während des Gebetes. Und stehen wir einmal mit dem Siddur (Gebetbuch) in der Synagoge und beginnen zu beten, werden wir nicht selten vom schneller betenden Rabbiner unterbrochen. Der ist nämlich schon fertig und mitten in einem neuen Gebet. Wir hängen hinterher. Sollen wir demnach mit dem Rabbiner gehen und den ausgelassenen Rest überspringen ?

Nicht selten erging es mir vor allem an den hohen Feiertagen wir Rosh HaShana oder Yom Kippur so, dass ich mich ganz toll auf ein Gebet konzentrieren wollte. Okay, ich war im Rückstand, dennoch nahm ich mir vor, eines der Feiertagsgebet mit eindringlicher Kavanah zu bewerkstelligen. Und was geschah dann ?
Ich begann zu denken und versuchte, das Gebet zu zerlegen und zu verstehen. Und somit war alles aus, denn ich war in meiner Eigenanalyse gefangen und kam gar nicht mehr weiter.

Zu all den plötzlich aufkommenden Problemen hörte ich vom litvisch - haredischen Rabbiner Yaakov Marcus (er lehrt in der Jerusalemer Frauenyeshiva "Neve Yerushalaim") folgende Aussagen:

1. Während eines G - ttesdienstes in der Synagoge sollte man sich zumindest auf EIN Gebet besonders stark konzentrieren und dies von A - Z konzentriert durchbeten, ohne sich unterbrechen zu lassen.

2. Ein Gebet muss von Herzen kommen ! G - tt will Emotionen sehen. Sobald der Betende beginnt nachzudenken, verliert er sich im Gebet.

Bei einem Gebet soll sich auf die Bedeutung der Worte konzentriert werden; zugleich jedoch muss sich der Gedanke und jegliche Absicht gen G - tt richten. Bedeutet: Keine Wortanalyse, sondern in dem Moment soll das Herz sprechen.

Was aber, wenn mein Herz in dem Moment etwas sagt, was ich letzten Endes nicht einhalte oder tue ? Beispiel: Bei spontanen Gebeten und nicht unbedingt den vorgegebenen aus dem Siddur.

Hierbei kommt es auf den Augenblick an und wenn ich etwas spontan sage, im Nachhinein jedoch nicht verwirkliche, so rechnet mir G - tt dennoch die gezeigte Absicht während des jeweiligen Augenblickes an.

Warum ich so ausführlich auf diverse Vorgehensweisen beim Gebet eingehe ?

Weil ich es ganz einfach wichtig finde, den Betenden einen leichteren Zugang zu veranschaulichen und gleichzeitig anzudeuten, dass nicht nur ein einzelner sich gewissen Fragen zum Gebet aussetzt. Niemand steht allein da und man muss sich nur trauen nachzufragen und plötzlich geben andere genauso zu, manchmal hilflos dazustehen.

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