Montag, Mai 03, 2010

Verlängerung des Gebetes

B"H


Die Menschen beten auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Viele neureligiöse Juden, zum Beispiel, lieben es, ihr Gebet herauszurufen bzw. ihre Segen vor und nach dem Essen so laut zu sagen, dass es jeder Umherstehende hört. Dies geschieht meist aus einer gewissen Art von Aufmerksamkeitshascherei heraus, womit ich zeige, dass ich auch ja alles richtig mache.


Alles haben wir jedoch alle gemeinsam: Fast jeder bittet G - tt um etwas. Daran ist nichts Falsches und im jüdischen "Schmona Esre" - Gebet gibt es sogar eine Stelle, an welcher der Betende private Bitten einfügen kann. Nur sollten wir nie hinterher vergessen, G - tt zu danken, falls der Wunsch in Erfüllung ging.


Besonders fromme Juden machen es sich ab und an zur Angewohnheit, ihr Gebet auszudehnen. Wer, u.a., in chassidische Gebetbücher schaut, der findet zusätzliche kabbalistische Gebete des Rabbi Yitzchak Luria (1534 - 1572) oder des Baal Shem Tov. Zusätze aus dem kabbalistischen Buch Zohar und weiteres. Dementsprechend dauern dann auch die Gebete länger.


Andere wiederum pflegen ihr Gebet mit besonders intensiver "Kavanah - Konzentration" zu sagen, wobei jedes Wort, ja, jeder einzelne Buchstabe, hervorgehoben bzw. an den Worten gleichzeitig meditiert wird.


Im Talmud gibt es einen Diskurs, ob zum Beispiel ein Gemeinderabbiner mitten im Synagogengebet mit der Gemeinde seine Gebete ausdehnen soll. Nicht nur mit diversen Zusätzen, sondern ebenso zeitlich (oder beides zusammen). Normalerweise kommt es auf die Gebetsverlängerung nicht selten auf die Gemeinde bzw. die Anwesenden an. Ist jemand am Erev Schabbat (Freitag abend) ausgesprochen hungrig und kann es kaum erwarten, dass der Hausherr den Segen über den Wein (Kiddusch) spricht, so ist es wenig angebracht, den Kiddusch mit allerhöchster Kavanah zu sagen und auszudehnen.


In der Gemara (rabbinische Diskussionen) des Talmud Traktates Berachot 32b heißt es:


"Rabbi Chiya bar Abba sagte im Namen Rabbi Yochanans: Derjenige, der seine Gebete verlängert (und um etwas bittet), erwartet, dass diese erhört werden und in Erfüllung gehen. Das Resultat wird sein, dass er ein gebrochenes Herz bekommt, denn es steht geschrieben: Ein ausgedehntes verlängertes Gebet macht das Herz krank (Proverbs / Mishlei 13:12). Was also ist die Heilung ? Derjenige soll stattdessen Thora lernen".


Moshe befand sich vierzig Tage und Nächte auf dem Berg Sinai und betete die gesamte Zeit über durch. Das allein dient als Beweis dafür, dass verlängerte Gebete erhört und erfüllt werden.


In den Proverbs / Mishlei 13:12 jedoch wird verkündet, dass der Betende aufgrund seiner hohen Erwartungen (er betete lange, also MUSS G - tt ihn erhören und helfen, siehe auch Talmud Berachot 55a) enttäuscht werden kann. Das Thorastudium dagegen dient als Puffer für die eventuell zu hoch geschraubten Erwartungen an die Hilfe G - ttes. Theoretisch kann es ja sein, dass die Gebete kein Ergebnis einbrachten, da das Thorastudium vernachlässigt worden war (der Talmudkommentator Maharsha).


In der Gemara des Talmud Berachot sagt Rabbi Yitzchak:


"Drei Dinge verursachen dass das Himmlische Gericht sich an die Vergehen einer Person erinnert: 1. Wenn jemand an einer schrägen Wand entlangläuft. Eine etwas gefährliche Situation und wer weiss, ob die Wand standhalten wird. 2. Wenn jemand erwartet bzw. sicher ist, dass sein Gebet erfüllt wird und 3. Wenn jemand betet, dass G - tt (das Himmlische Gericht) jemanden anderes bestrafen soll".


Bin ich mir zu sicher, dass mein Gebet in Erfüllung geht, dann meine ich automatisch, dass ich absolut gerecht und fromm bin. Ein toller Mensch, dem die Erfüllung des Gebete gebührt. Jeder andere hat etwas auf dem Kerbholz, nur ich nicht. Aus dieser Situation heraus schaut das Himmlische Gericht genauer hin und fragt, was die Person denn so toll mache. Und wehe dem, wenn das Himmlische Gericht näher auf die Person schaut. Wer weiss, was sich da so anfindet.


Dieselbe Situation, wenn ich darum bete, dass das Himmlische Gericht eine mir unliebsame Person bestrafen soll. Auch dann schaut das Himmlische Gericht ganz besonders auf mich, denn wer bin ich, dass ich das verlange ? Was ist mit mir ? Bin ich etwa soviel besser als der andere ?


Derlei Situationen rufen das spezielle Interesse G - ttes hervor und Er prüft uns wohin gegen wir als Betender, ohne diese drei Begebenheiten unverdächtiger bzw. unauffälliger erscheinen.


In Berachot 32b sagt Rabbi Chama, der Sohn des Rabbi Chanina:

"Sieht jemand, dass sein Gebet nicht erhört worden ist bzw. nicht in Erfüllung geht, dann darf er auf keinen Fall aufgeben, sondern nochmals von vorne beten".


Was also können wir tun, damit unser Gebet in Erfüllung geht ?

In Berachot 55a erhalten wir einen Vorschlag: Wir sollten versuchen, mehr in G - ttes Gnade zu vertrauen. Immerhin zeigt ein Gebet, in welchem ich einen Wunsch äußere nichts weiter als meine Abhängigkeit von G - tt. Und warum sollte mir G - tt einen Wunsch gewähren, wenn nicht aus Gnade heraus ?

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