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B"H
Die Thoralesung für diesen Schabbat
Parashat Nasso ist ungewöhnlich lang und enthält viele verschiedene Mitzwot (Gesetze). In der Regel wird Nasso entweder am Schabbat vor oder nach Schavuot gelesen.
Zu Beginn der Parasha wird Moshe von G - tt angewiesen, die Gershoniter zu zählen. Levi hatte drei Söhne, Gershon, Kehat und Merari. Die Nachfahren der Drei wurden mit unterschiedlichen Aufgaben bezüglich des Auf - u. Abbau des Mischkans (Tabernakel) betraut. Die Kehaniter trugen die besonders heilige Objekte wie die Menorah oder die Bundeslade (Aron) durch die Wüste. Dagegen trugen die Geshoniter sämtlich Vorhänge aus dem Mischkan, aufgrunddessen man annehmen könnte, dass die Kehaniter wichtiger waren.
Rabbi Moshe Feinstein kommentierte hierzu, dass kein Mensch eine niedrigere Aufgabe oder Bedeutung hat als andere. Manager sind nicht wichtiger als Hausmeister oder Büroangestellte. Jeder hat seine bestimmte Aufgabe im Getriebe, ohne die nichts funktionieren könnte. Genauso ist die hiesige Welt zu betrachten. Wir alle wurden von G - tt individuell mit unseren ganz bestimmten eigenen Aufgaben erschaffen.
Die Thora fährt fort mit der Beschreibung, dass unreine Personen für eine gewisse Zeit außerhalb des israelitischen Camps verweilen müssen. Danach folgt die Beschreibung der ehebrecherischen Ehefrau (Sotah), des Nazir und der Segen der Cohanim (Tempelpriester), um nur einige der vielen Mitzwot zu nennen.
Die Parasha erzählt uns von einer für uns heute recht seltsam klingenden Prozedur. Eine Ehefrau, welche ihren Mann betrogen hat, soll das sogenannte "Mei Sotah - das bittere Wasser" trinken. Der Talmud Traktat Sotah geht sehr ausführlich auf das Thema ein.
Wenn eine Ehemann seine Frau verdächtigt, eine Affäre mit einem anderen Mann zu haben, dann muss er sie zuvor warnen, nicht mehr mit diesem Mann zu sprechen, geschweige denn ihn zu teffen. Die Warnung muß in der Anwesenheit von mindestens zwei Zeugen erfolgen (Talmud Sotah 2a). Ignoriert die Frau die Warnung ihres Mannes und fährt mit ihren eventuellen Vergehen fort, werden Zeugen geladen. Bestätigen die Zeugen, dass Frau Sowieso sich mit jenem Mann trifft, so kann der Ehemann seine Frau nach Jerusalem zum Tempel bringen lassen. Entweder gesteht sie vor dem Sanhedrin (bestehend aus 71 Richtern) ihre Vergehen oder sie streitet alles ab.
Gesteht sie den Ehebruch, so kann sich der Mann scheiden lassen. Streitet sie alles ab, verabreichen ihr die Cohanim (Tempelpriester) das bittere Wasser (Talmud Sotah 7a). Sollte sich die Frau von vornherein ganz weigern nach Jerusalem zu gehen, hat der Ehemann das Recht sich scheiden zu lassen. Allerdings besteht dabei der Nachteil für die Frau, dass sie ggf. niemals ihre Unschuld beweisen kann.
Angenommen die Frau brach die Ehe, streitet jedoch vor den Sanhedrin alles ab und ihr wird das bittere Wasser verabreicht. Wie genau sah die Prozedur aus ?
Die Frau wurde von den Cohanim an eine bestimmte Stelle im Tempel geführt, sie mußte ihre Kopfbedeckung vom Haar nehmen und ihr Kleider wurden zerrissen. Dieses Verfahren allein war schon beschämend für die Frau. Auf einen Zettel wurde zweimal der gleiche Name G - ttes geschrieben (Zohar) und sobald einer der beiden verschwand oder auch nicht, zeigte das u.a. die Schuld bzw. Unschuld der Frau an.
Die Gemara (rabbinische Diskussionen) im Talmud Sotah 26b schliesst allerdings Frauen, welche ein sexuelles Verhältnis mit einem Tier hatten aus. Derlei Frauen brauchen keine Sotah - Prozedur durchlaufen genauso wenig wie jene Frauen, die Sex mit einem Minderjährigen hatten (siehe ebenso den RASCHI Kommentar). In diesen Fällen dürfte eine sofortige Ehescheidung bzw. anderweitige rabbinische Bestrafungen erfolgen. Der Rambam (Maimonides), 1135 - 1204, legt in seiner Mischna Thora / Hilchot Sotah 1:6 fest, dass nach seiner Auffassung das Alter des Minderjährigen unter 9 Jahren sein muss. Ab dem neunten Lebensjahr wäre ein Junge geschlechtsfähig. Der Rambam beruft sich bei seiner Festlegung auf zahlreiche Midraschim.
Bei dem bitteren Wasser handelte es sich um Wasser aus dem Kiyor (Becken im Tempel) vermischt mit etwas Erde vom Boden vor dem Allerheiligsten (Azarah). Die Frau trank es aus einer neuen Tonschale. Wenn die Frau das Wasser trank und es stellte sich keinerlei Wirkung ein und sie blieb am Leben, bedeutete dies ihre Unschuld. Wenn sie schuldig war, blähte sich ihr Magen auf und sie starb einen qualvollen Tod. Das bittere Wasser war die einzige g - ttliche übernatürliche Strafe in dieser Welt. Alle anderen Vergehen wurden halachisch durch die Sanhedrin geahndet und auch bestraft.
In der Midrasch Tanchuma gibt es die berühmte Story von der ehebrecherischen Frau, welche versuchte, die Sanhedrin zu betrügen. Sie schickte einfach ihre Zwillingsschwester um das bittere Wasser zu trinken. Wie erwartet, starb diese nicht, denn sie war unschuldig. Als die Zwillingsschwester mit der guten Nachricht zu ihrer ehebrecherischen Schwester heimkam, küßte sie die Schwester vor Freude. Das bittere Wasser, was noch auf ihren Lippen war, tötete jedoch die schuldige Schwester.
Warum gibt uns G - tt in seiner Thora solch ein Gesetz und was bedeuten unsere Vergehen für uns und Ihn ?
Im Falle des Ehebruchs sieht das kabbalistische Buch "Shushan Sodot" einen Bruch zwischen G - ttes Willen und dem menschlichen Handeln. G - tt hat ein bestimmtes Ehepaar zusammengeführt, welches eine Einheit bildet, und ein Ehepartner zerstört diese Einheit. Mit unseren halachischen Vergehen beschädigen wir nicht nur unsere Neschama (Seele), sondern genauso die "oberen spirituellen Welten". Jedes einzelne Vergehen entfernt uns immer mehr von G - tt. Im Talmud Sotah 3a lesen wir, dass kein Mensch sündigt bis ihn ein "Ruach Schtut (dummer Gedanke)" überkommt. Manches wollen wir eigentlich gar nicht tun, da wir genau wissen, dass es falsch ist, doch irgendwie überfällt uns ein Gedanke, dass alles nicht so schlimm wäre und wir es eh nie wieder tun.
Im Judentum heißt es, das ein Vergehen gleich das andere nach sich zieht (Averah goreret Averah). Sobald wir einmal beginnen, hören wir nicht mehr auf und denken, dass es ja eigentlich erlaubt sei (Talmud Sotah 22a). Hat man sich erst einmal an ein Vergehen gewöhnt, so wird alles als erlaubt angesehen und es kommt kaum noch zu einer Teschuvah (Umkehr), so die Talmudkommentatoren Rashi und RIF. Das Schlimme dabei ist, dass sich Außenstehende auch noch dazu verleiten kann, etwas zu tun, was sie gar nicht wollen.
Der Ishbitzer Rebbe sagt, dass wir nicht zulassen sollen, dass fremde Gedanken unser Leben beherrschen. Wie der Nazir schwört, sich von diversen Unreinheiten und vom Alkohol fernzuhalten, so sollten wir nicht allen Verführungen des Lebens erliegen und uns in niedrige spirituelle Level katapultieren.
Rabbi Samson Raphael Hirsch sieht im Ehebruch der Sotah ein Verlassen des moralischen Weges eines Menschen. Niemand sündigt, wenn er nicht gerade in dem Moment, wenn auch nur zeitweilig, das wahre Konzept des Lebens verliert.
Jedoch stelle ich mir diesbezüglich die Frage, ob nicht ein gewisses Verständnis für einen Ehebruch aufkommen kann, wenn die Ehe eh nicht mehr läuft und ernsthaft von Scheidung geredet wird. Die Halacha sieht in dem Falle erst eine Scheidung vor bevor es überhaupt zum Sex mit einem anderen Partner kommen kann. Und dies wiederum, lt. Judentum, erst nach einer erneuten Heirat, denn außerehelicher Sex ist untersagt.
Anmerkung: Im Judentum ist es, im Gegensatz zum Christentum, nach einer Scheidung durchaus erlaubt, wiederzuheiraten. Wollen dieselben Parteien nach ihrer Scheidung nochmals heiraten, dann kann diese erneute Hochzeit nur dann stattfinden, wenn die Frauen zwischenzeitlich mit keinem anderen Mann verheiratet war (nach der Scheidung). Ansonsten darf jede der geschiedenen Partei ein zweites Mal heiraten.
Der Ramban (Nachmanides), 1194 - 1270, stellt in seinem Thorakommentar die Frage, warum uns die Thora erst von der ehebrecherischen Frau (Sotah) berichtet und danach vom Nazir (Jemand, der auf bestimmte Zeit dem Wein abschwört, keinen Leichnam berühren darf, sich nicht die Haare schneidet und auch sonst noch einige Regelungen auf sich nimmt, um sich zu perfektionieren und G - tt näherzukommen). Übrigens ist ebenso eine Frau in der Lage, den Schwur eines Nazirs auf sich zu nehmen !
Wer eine ehebrecherische Frau in ihrer Pose sieht, halte sich von ihr fern und trinke keinen Wein, denn Prostitution und Wein können einer Person das Herz stehlen und somit geht man derjenigen Frau auf den Leim.
Natürlich heißt es im Judentum immer wieder, dass jeder Mensch die Möglichkeit zur Teschuva (Umkehr) nutzen kann. Manchmal muß man sehr tief fallen, um danach viel höher aufzusteigen (so die Chassidut). Doch ein ganz tiefer Fall verursacht häufig so tiefe Depressionen, dass derjenige sich für unwürdig zur Teschuva fühlt und erst recht abstürzt. Dies ist die schlimmste Depression, welche einem wiederfahren kann und trotz allen Chaos sollten wir jeden neuen Tag mit neuem Optimismus begegnen. Zumindest sollten wir versuchen, dies zu tun.
Schabbat Schalom
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