Dienstag, Juli 24, 2007

Der Marsch um die Stadtmauer

B"H

Als ich mich am gestrigen Spaetnachmittag auf dem Heimweg befand, war die Innenstadt ungewoehnlich ruhig. Es waren nur noch verhaeltismaessig wenig Leute unterwegs und die Haelfte der Geschaefte war schon geschlossen. Gegen 19.30 Uhr sollte der Fastentag Tisha Be' Av beginnen und die Leute waren daheim beim Essen.

Eine Stunde nach Fastenbeginn, um 20.30 Uhr, sollte am Kikar Safra vor dem neuen Rathaus, die Lesung der Megillath Eicha beginnen. Es war ein herrlich warmer Sommertag und Tausende von Leuten hatten sich, ausgeruestet mit Israelflaggen, auf dem Vorplatz des Rathauses eingefunden. Plazieren tat man sich ueberwiegend unter den Palmen auf dem Fussboden. Die Lesung der Megillah verzoegerte sich etwas, da das Mikrofon nicht so funktionierte wie erwartet. Die Organisatorin, die bekannte israelische rechte Hardlinerin Nadja Matar, hatte Glueck. Gegenueber dem vergangenen Jahr hatten sich mehr Menschen als zuvor eingefunden. Ein Erfolg.
Der Marsch um die Stadtmauer am Tisha Be' Av gehoert in Jerusalem irgendwie zum Ritual, obwohl es die Mehrheit der Leute vorzieht, gleich direkt zur Klagemauer zu gehen. Ohne Marsch.

So waren meine Freunde und ich mitten unter saemtlichen Nationalreligioesen, die mit Kind und Kegel angerollt waren. Noch am Nachmittag zuvor hatte ich zu hoeren bekommen, dass ich doch lieber in die Synagoge der Belzer Chassidim kommen solle, dennoch bestand ich auf das Event am Kikar Safra. Einzig und allein aus dem Grund, da es fuer mich die einzige Gelegenheit im Jahr ist, im arabischen Viertel frei und sorglos herumlaufen zu koennen. Dementsprechend war dann auch das Polizei - und Militaeraufgebot. Allerdings weniger als in den Vorjahren.

Zwei Rabbiner trugen abwechselnd die Megillath Eicha vor und danach wurde sich zum Marsch aufgestellt. Nadja Matar hatte vorher ueber das Mikrofon verkuendet, dass alle an den traurigen Hintergrund, naemlich die Tempelzerstoerungen denken sollen, und dass das hier kein "social meeting" sei. Nichtsdestotrotz war sie aber fleissig dabei, ihre eigene Regel zu brechen. Die Presse und das TV waren da und man bat sie und das anwesende Knessetmitglied, Aryeh Eldad, zum Interview und Photos mussten auch gemacht werden. Alles zum Nachteil der Anwesenden, denn die waren eingequetscht in eine enge Gasse und warteten auf die Freigabe zum Abmarsch.

Schliesslich ging es los und es war, wie immer, eine sehr gute Atmosphaere. Vor allem auf dem Weg vom Damaskus - Tor zum Blumen - Tor gibt es am Tempelberg die original Steinschichten des Berges zu bewundern. Auch befand sich dort der Haupteingang zum Tempel.
Die palaestinensische Bevoelkerung reagierte gelassen. Wie noch im letzten Jahr, gab es diesmal keine Flueche gegen Juden und es waren eh zu der Uhrzeit nur wenige Leute auf den Strassen. Im arab. Viertel liebt man es, fruehzeitig zu Bett zu gehen und die Geschaefte schliessen immer frueh.

Am Blumen - Tor vorbei ging es zum Loewen - Tor, wo Reden gehalten werden sollten. Mit Ach und Krach fanden wir noch freie Sitzplaetze auf der Strasse und Aryeh Eldad war der erste Redner. Wie in jedem Jahr stoerte es mich diesesmal wieder: Aus der religioesen Trauer wurde ein Politikum. Eldad sagte, dass wir uns kurz vor der dritten Tempelzerstoerung befinden. Er bezog das auf die jetzige Olmert - Regierung, die bereit ist, alles auch nur moegliche Land abzugeben.
Der zweite Redner war ein Rabbiner, der sehr gute talmudische Ausfuehrungen zum Tisha Be' Av zum besten gab.

Obwohl noch weitere Reden folgten, wurde es vielen zu langweilig und man machte sich auf, zur Kotel (Klagemauer) zu gehen. Ausgerechnet inmitten der Reden traf ich zwei Bekannte von mir, wovon die eine, Evelyn Haies, die Vorsitzende der "Rachel's Children Reclamation Foundation" ist. Evelyn kaufte jeglichen Grundbesitz um das Grab der Rachel (Kever Rachel) bei Beit Lechem (Bethlehem) und kuemmert sich um das biblische Grab.

Spaeter wurde es uns dann auch zu langweilig und wir gingen in Richtung Kotel. An der Kotel selbst waren wir nicht, denn dort war es dermassen voll, dass wir keine Lust verspuerten, uns da noch mit hineinzuquetschen.

Heute ist es schrecklich heiss und in Kuerze wird der Tisha Be' Av vorueber sein. Hunger habe ich keinen, doch traeume ich von einer kuehlen Flasche Wasser.

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