B"H
Dieses ist der zweite Teil der Tisch - Erlebnisse vom vergangenen Schabbat. Zum ersten Teil sei kurz etwas nachzutragen, was vielleicht im Text nicht so zum Ausdruck kommt:
Ich mußte einen haredischen (ultra - orthod.) männlichen Bekannten in die Synagoge der "Mischkenot HaRoim" entsenden, denn deren Chassidim sprechen nicht mit Frauen. Ich probierte es einmal aus und bekam auch eine Antwort; dennoch macht es einen besseren Eindruck, einen Mann nachfragen zu lassen. Obwohl Männer gewöhnlich weniger denken und fast immer die Hälfte zu fragen vergessen.
Nachdem wir uns nach wenigen Minuten bei der chassidischen Gruppe Toldot Aharon aufgrund von Überfüllung aus dem Staube machten, gingen wir nur wenige Meter weiter nach Mea Shearim hinein, um beim chassidischen Tisch von Avraham Yitzchak zu landen. Wie schon erwähnt, die Toldot Avraham Yitzchak sind die zweite Abspaltung der Toldot Aharon und existieren erst seit etwas mehr als elf Jahren.
Die Toldot Avraham Yitzchak Synagoge in Mea Shearim.
Obwohl ich die Toldot Avraham Yitzchak in meinem Tisch - Guide bisher noch nicht beschrieben habe, stehen gerade sie bei mir an erster Tisch - Stelle. Sie haben den besten Tisch und den besten entertainenden Rebben. Ich mag zwar immer über die Toldot Aharon berichten, dennoch sind die Avraham Yitzchak meine ganz persönliche ungeschlagene Nummer Eins. Toldot Aharon teilt sich den zweiten Platz mit einigen weiteren Gruppen. Sorry.
Als wir in der Synagoge der Avraham Yitzchak ankamen, war Rebbe Shmuel Yaakov Kahn schon in vollem Gange, seinen Tisch abzuhalten. Viele Male schon habe ich den Tisch beschrieben und werde dies nochmals eingehend im Tisch - Guide tun. An dieser Stelle dagegen möchte ich mich vorwiegend nur auf das Drumherum beschränken.
Ganz rechts aussen: Rebbe Shmuel Yaakov Kahn
Bei unserem Eintreffen war die Frauenempore voll, und unsere mehr als zweistündige Anwesenheit verbrachten wir stehend. Stehend hinter dem thronähnlichen Stuhl der Rebbitzen Channah Kahn. Wir standen zwischen ihr und den Metalltribünen, welche voll Gruppenmitglieder waren. Überhaupt sahen wir keine weiteren Gäste außerhalb Mea Shearims, sondern nur ein paar Frauen von Satmar bzw. der Chassidut Dushinsky waren noch anzutreffen.
Wir standen und schauten eifrig dem Rebben und dessen Chassidim zu als meine Freundin mir auf die Schulter klopfte. Ich solle mit den Frauen hinter uns sprechen, denn die hätten Fragen. Meine Freundin spricht kaum Hebräisch und stand verlegen da. Und so stellte sich heraus, dass mindestens vier ganz junge verheiratete Frauen der Avraham Yitzchak wissen wollten, wer wir sind. Kann sein, dass dies einfach nur so geschah und sie in Redelaune waren; es kann aber auch sein, dass sie einmal kontrollierten wollen, wer denn da so kommt. Und von daher warne ich immer wieder Nichtjuden davor, zu chassidischen Tischen zu gehen. Wer von ihnen in solch eine Situation gerät, der fliegt.
Die Frauen stellten ihre Fragen und ich die meinen. Nach wenigen Sätzen waren wir miteinander vertraut und plötzlich rutschten immer mehr Frauen von der Metalltribüne in unsere Richtung, um dem Gespräch zu lauschen. Anscheinend waren wir die Sensation des abends. Schnell kam eine wunderbare Diskussion zustande, an der mehrere Frauen teilnahmen. Meine Freundin verstand nicht viel und folgte dem Tisch und irgendwie unseren Gesprächen.
Nachdem wir alle unsere Fragen, wie, woher, was, etc. gestellt hatten, kamen wir auf die Religion zu sprechen. Natürlich wollen die Frauen immer ganz genau wissen, wo und was ich von der Religion lernte. Auf welcher Yeshiva, in welchen Instituten etc. Mein Talmudstudium haute dabei keinen vom Hocker.
Irgendwie kamen wir darauf zu sprechen, dass ich einmal in der haredischen Gesellschaft war und in einem deren Institute gelernt habe. Ferner berichtete ich, dass ich dann etwas ausstieg und mich zur Zeit etwas auf dem Wege zurück befinde. Vielleicht nicht ganz, aber jedenfalls in die Richtung. Das haute übrigens ebenso wenig jemanden vom Hocker, aber die Frauen schienen das Thema zu geniessen, um einmal einige Einblicke von außerhalb der Gruppe zu bekommen. Mittlerweile schaute keine von ihnen mehr auf den Tisch, sondern lauschte der Diskussion. Einmal wurden wir sogar von Rebbitzen Channah ermahnt.
Wir sprachen über Gebete und ich erzählte, dass ich am vorherigen Schabbat bei der chassidischen Gruppe Toldot Aharon zum Morgengebet Schacharit teilnahm. Wegen der allseits bekannten Überfüllung sah und hörte ich nichts und war die meiste Zeit auf mich und mein Sidur (Gebetbuch) allein gestellt. Fragen, in welchem Teil des G - ttesdienstes wir uns gerade befinden, wollte ich auch nicht ständig. Den Avraham Yitzchak - Frauen sagte ich, dass ich mich in der Situation schon ziemlich dumm gefühlt habe, denn alle anderen Frauen blätterten eifrig in ihren Sidurim und beteten. Ich dagegen konnte kaum folgen, weil ich vom G - ttesdienst nichts hörte.
"Immerhin hast Du Dir die Mühe gemacht, zu folgen. Und das ist es schließlich, was G - tt will. Nicht jeder muß perfekt beten", sagte eine der Avraham Yitzchak Frauen zu mir. Und andere fuhren fort: "Woher willst Du überhaupt wissen, dass all die anderen Frauen so toll und konzentriert gebetet haben ? Weißt Du nicht, dass die Gedanken nicht immer bei der Sache sind und beginnen, sich selbständig zu machen ?"
Unsere Diskussion setzte sich fort, indem wir darüber sprachen, dass nicht jede oder jeder, der sooo relig. angezogen ist, sich auch wirklich immer so benimmt. Schließlich sind wir alle nur Menschen. Mir persönlich hat unsere Unterhaltung sehr viel gebracht und ich lernte viel über das Verständnis jener chassidischen Frauen, die manche als so "extrem" bezeichnen. Viele hörten unser Gespräch mit an und diskutierten nebenbei über die Themen weiter.
Vor allem mit drei Frauen schloß ich fast Freundschaft und als ich am Tischende nachfragte, was denn genau an Purim bei den Avraham Yitzchak stattfindet, lud man uns zum Purim - Tisch ein. Am Sonntag vom Jerusalemer Purim - Meschulasch (23. März) wird es bei den Avraham Yitzchak ein riesen Fest geben, an dem auch wir teilnehmen. Mit den Frauen jedenfalls habe ich mich auch wieder verabredet.
Was ich an dem Abend lernte ?
In erster Linie, dass nicht nur ich so meine Konflikte mit dem relig. Leben habe. Wie weit soll man gehen und wie weit sich in Schuldgefühle reden ? Jeder hat so seine Problemchen und niemand, auch wenn alles noch so scheint, ist perfekt.
Sonntag, März 16, 2008
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