Mittwoch, März 05, 2008

Penetranz

B"H

Die Involviertheit in der Religion kann in Jerusalem ungeahnte hohe Grade annehmen. Für jeden ist etwas dabei und jeder findet, wenn er daran arbeitet, irgendwo seine Nische. Dies kann manchmal etwas dauern, aber schließlich hat jeder einmal Glück. Eines jedoch kann ich versprechen: Langweilig ist das relig. Leben in unserer Stadt nie. Wenn ich morgens aufstehe, kann ich kaum vorausahnen, was mir der Tag wieder einmal bringt.

Vorgestern kam ein litvischer Haredi (Ultra - Orthod.) auf mich zu und fragte mich einfach so, ob ich zur "Megillat Esther - dem Lesen des Buches Esther in den Synagogen am Purimfest in zwei Wochen) gehe. Hinter dem Litvischen stand eine überaus blonde junge Frau, die mich mit grossen Augen anstarrte. Zuerst hatte ich gar nicht bemerkt, dass der Litvische sie mit im Schlepptau hatte.

"Ja, ob ich die Blonde denn mitnehmen könne nach Mea Shearim. Sie wolle das halt auch einmal da sehen und so."

"Nein", sagte ich entschieden.

Die Blonde drehte sich auf dem Absatz um und ging.

Der Litvische stand verdutzt da und ich sagte ihm, dass er die Blonde selber irgendwo mit hinnehmen kann. "Naja, gab er zurück, sie wolle halt einmal die Chassidim sehen."

Das einzige Problem, dass der Litvische dabei übersah ist, dass die Chassidim die Blonde nicht sehen wollen.

Es sind nicht nur Nichtjuden, die sich romantische Vorstellungen vom ultra - orthodoxen Mea Shearim und dessen Bewohner machen. Auch die litvischen Juden haben keinerlei Ahnung, wenn es um chassidische Angelegenheiten geht. Jedenfalls die meisten Litvischen, die ich bisher kennengelernt habe.

Man geht nicht einfach mal eben so Mea Shearim und Chassidim schauen. Sind wir jetzt alle im Zoo, um beglotzt zu werden und damit sich hinterher viele brüsten können, sie seien einmal in einer richtigen Mea Shearim Synagoge gewesen. Ist das nicht cool ? Jetzt habe ich Ahnung und darf auch einmal mitreden.

Insbesondere viele Nichtjuden übersehen, dass es im Judentum Grenzen gibt. "Woche der Brüderlichkeit" und so, ja, aber es werden gewisse Richtlinien abgesteckt. Dies ist nicht neu und war schon zu Tempelzeiten so, wo Nichtjuden zwar auch Tempelopferungen bringen durften, sich ihr Zutrittsrecht allerdings nur auf einen begrenzten Bereich im Tempel bezog.

Vor ca. zehn Jahren gingen die Uhren in Mea Shearim noch anders. Es kam sogar vor, dass Nichtjuden am Schabbat eingeladen waren. Irgendwann jedoch hatten die Chassidim die Nase gestrichen voll, denn viele Besucher bezeugten nur ihre Neugier, um zu sehen, wie die Chassidim so ihr Wohnzimmer einrichten. Glotzen und sich brüsten.

Seit mehr als fünf Jahren hat Mea Shearim allem einen Riegel vorgeschoben. Gäste werden nur noch aus Yeshivot (relig. Schulen) akzeptiert und halt jene Newcomer, die einer chassidischen Gruppe sehr nahe stehen.

Es wäre schön, wenn sich viele Nichtjuden klarmachen täten, dass es in jüdisch - relig. Kreisen gewisse Spielregeln gibt und man nicht überall einfach seine Nase dabei haben muß. Die Synagogen Mea Shearims sind nichts für Nichtjuden und wer es dennoch penetrant wagen will, der kann sich schnell auf der Straße wiederfinden.

2 Kommentare:

  1. "Blond" bedeutet nicht automatisch "nichtjüdisch". Der Artikel könnte diesen Eindruck erwecken.

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  2. B"H

    Blond bedeutet nicht immer nichtjuedisch, doch bestehen nebenbei auch gewisse Verhaltenskriterien.

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