B"H
"Und es war in den Tagen des Achaschwerosch - VaYehi Be'Yamei Achashverosh" - so lauten die ersten Worte der Megillat Esther (dem Buch Esther) welches wir an Purim zweimal laut in den Synagogen verlesen.
Der Talmud Traktat Megillah gibt außerordentliche Einblicke in das Buch Esther. Einblicke, die wir aus dem Buch selber nicht so offenbar erhalten. Entweder sind sie versteckt im hebräischen Originaltext oder es bedarf des Zusatzes der Midrasch - Literatur.
Schon das erste Wort der Megillah überhaupt wird ausgiebig unter die Lupe genommen. "VaYehi ויהי - Und es war / geschah", ein Wort, welches wir auch wiederholt zu Beginn einiger wöchentlichen Thoraparashot sowohl als auch in den Propheten finden. Die Gemara (rabbinische Diskussionen) im Talmud Megillah 10b klärt uns auf, dass immer dort, wo "VaYehi" auftaucht, etwas Negatives bzw. Schmerzhaftes folgen wird.
Man muß sich einfach einmal die Tragödie vorstellen, welche die Zerstörung des Ersten Tempels durch die Babylonier mit sich brachte. Da stand mehrere Hundert Jahre lang ein Tempel in Jerusalem, erbaut von König Salomon . Ein Tempel, in dem alltägliche Wunder an der Tagesordnung waren. Ein Zustand, der für uns heute kaum noch vorstellbar ist. Ein besonderes Wunder war schon G - ttes ständig "Schechinah - Anwesenheit". Es gab das "Lechem HaPanim - Shewbread", Schabbatbrote, die von Woche zu Woche frisch blieben.
Anscheinend sind dies für uns alles unbeschreibliche Wunder, doch die damaligen Einwohner Jerusalems gewöhnten sich an alles und begannen, sich von G - tt abzuwenden. Somit war die Katastrophe nur noch eine Frage der Zeit. Und dann kam der babylonische Brutalo - König Nevuchadnezzar, zerstörte den Tempel und schleifte die jüdische Elite in sein Königreich.
Und jetzt in den Tagen des Achaschwerosch sollten die Juden ganz vernichtet werden. Besonders im Talmud werden die Katastrophen des Jüdischen Volkes immer wieder eingehend diskutiert. Warum fand es statt und was war G - ttes Anlaß ? Denn wie wir alle wissen, geschieht nichts auf der Welt, ohne dass G - tt einen Grund dafür hat.
Was also war der Grund, dass sie Juden zu Zeiten Mordechais und Esthers vernichtet werden sollten ?
Der Talmud Megillah 11a sieht den Anlaß der "Bitul Torah - der Vernachlässigung der Thora". Die Juden lernten einfach nicht mehr genügend Thora und wollten nicht verstehen, warum sie anders sind als andere Völker und diverse Gesetz einhalten sollen.
Haman hatte leichtes Spiel König Achaschwerosch für seinen Vernichtungsplan zu gewinnen. Er wandte dabei Argumente an, die ich bis heute nicht selten höre. "G - tt habe die Juden verstossen und hat Seine Schechinah (Anwesenheit) von ihnen zurückgezogen." Argumente, die bis heute von christlichen Missionaren angewandt werden. Aber nicht nur von ihnen, sondern sind offensichtlich viele gläubige Christen dieser Ansicht, um so ihre selbstentworfene "Zugehörigkeit" zu rechtfertigen.
Aber wie der Talmudkommentator Maharsha und viele andere Kommentatoren schreiben, bleibt G - ttes Anwesenheit in alle Ewigkeiten unter den Juden. Eine Tatsache, wozu wir nicht unbedingt die Kommentatoren benötigen, sondern schon ein einfacher Blick in die Thora genügt. Auch als die Israeliten in Ägypten waren, war G - tt immer mit ihnen.
Der große Kommentator Rashi vertritt die Ansicht, dass Nevuchadnezzar und Achaschwerosch Brüder waren (zu Talmud Megillah 11a). Keine Brüder im biologischen Sinne; vielmehr ähnelten sie sich durch ihre Grausamkeiten. In der Gemara heißt es, dass Nevuchadnezzar den Ersten Tempel zerstörte und sein Nachfolger Achaschwerosch war ebenso an einer Tempelzerstörung beteiligt.
Wie das ?
Aus dem Buch Ezra erfahren wir, dass zu Zeiten des direkten Vorgängers Achaschweroschs, König Cyrus, einige Juden nach Jerusalem zurückkehrten und mit dem Bau des Zweiten Tempels begannen. Die in Israel ansässigen fremden Nationen jedoch wollten diesen Bau unbedingt verhindern und griffen ein. Als Achaschwerosch den Thron bestieg, brachte er den begonnen Tempelbau zum Erliegen. Und dies betrachtet der Talmud wie eine Tempelzerstörung an.
Manchmal ist es direkt unglaublich, wie entweder Juden sich selbst behinderten oder andere Völker den Bau eines jüdischen Tempels verhindern. Bezüglich der Juden erscheint es gerade so als wollen sie viele einfach keinen Tempel mehr. Jeder hat sein eigenes Leben irgendwo in der Welt und wer will schon sein "tolles" Dasein in der Diaspora aufgeben, um nach Israel zu kommen und irgendwelche Tiere opfern ?
Selbst nach dem Ende der babylonischen Diaspora war dies nicht anders. Nur ein Bruchteil der Juden ging nach Jerusalem, um den Zweiten Tempel zu errichten. Aber nicht alle blieben in Babylon, wo es ihnen wirtschaftlich hervorragend ging. Zu eben jenen Zeiten gab es sogar schon kleine Gemeinden in Deutschland (im Rheinland).
Was haben Juden ausgerechnet dort zu suchen, wenn in Jerusalem ein Zweiter Tempel gebaut wird ?
In der Literatur jüdischer Gelehrter gibt es eine Ansicht, dass jene deutschen Gemeinden ihre Strafe zur Zeit des ersten Kreuzzuges erhielten, in dem sie niedergemetzelt worden sind.
Aber wie wird eine solche für den einen oder anderen radikale Ansicht gerechtfertigt ? Haben wir nicht weiter oben von einem G - tt gehört, der niemals seine Anwesenheit (Schechinah) aus dem Jüdischen Volk zurückzieht ? Und ist Er kein vergebender G - tt ?
Tatsächlich zieht G - tt Seine Anwesenheit niemals zurück.
Im gleichen Zuge aber sind Juden verpflichtet, sich an Seine Gebote zu halten und wenn dies nicht geschieht, kann dieses Verhalten Folgen haben. Hierbei will ich jetzt um Himmels Willen in keine Theorien verfallen, wer warum bestraft wird. Genau wissen wir das eh nicht, denn wir sind nicht G - tt und können daher nur spekulieren.
Juden können oftmals ihr Schicksal selbst bestimmen, indem sie G - ttes Willen erfüllen oder nicht. Gemäß jüdischer Tradition haben sie fast immer eine Chance, ihre negativen Taten zu bereuen und Teschuva (Umkehr zu G - tt) zu begehen (siehe Ausnahmen in der "Mischna Thora - Hilchot Teschuva" des Rambam - Maimonides).
Jedenfalls haben das die Juden zu Zeiten Esthers getan und so ihre Vernichtung verhindert.
Auch zu unserer Zeit sind die Probleme die gleichen geblieben und unsere Aufgabe besteht darin, einiges an Teschuva zu leisten.
Dienstag, März 04, 2008
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Wenn ich dich richtig verstanden habe (wenn!) dann sagst du, dass die Juden all die all die Grausamkeiten erleben mussten, weil sie sich nicht an die Gesetze gehalten haben.
AntwortenLöschenWas mich daran stört ist, dass dadurch Nebukadnezar, die Kreuzritter etc. - meines Wissens alles Menschen mit freiem Willen und unverminderter Schuldfähigkeit - als eine Art Naturkatastrophe hingestellt weden. Sie alle hätten aber die Möglichkeit gehabt nicht zu töten (ein Erdbeben muss töten, es hat keine andere Wahl).
Das ganze geht für mich nicht auf.
Jana
B"H
AntwortenLöschenEs ist hoechst umstritten, ob Juden spezielle Strafen erleiden muessen, weil sie die Gesetze nicht einhalten.
Ich zitierte im text einige Kommentatoren, die dieser Ansicht sind. Persoenlich bin ich der Meinung, dass wir Menschen nicht immer etwas behaupten koennen, von dem wir keine Gewissheit besitzen, ob es stimmt. Schliesslich sind wir nicht G - tt. Aber falls G - tt doch so entschied, wird Er Seine Gruende dafuer gehabt haben.
Das Thema "Freier Wille" ist stundenlang diskutierbar. Eine Patentloesung gibt es hierzu nicht.
Inwieweit haben wir den freien Willen und haben wir ihn ueberhaupt ?
Hierzu gibt es unzaehlige Kommentare und Ansichten. Manche, wie Rabbi Mordechai Yosef Leiner (der Ischbitzer Rebbe) sagen sogar, dass kein Mensch einen freien Willen besitzt, sondern G - tt alles vorbestimmt.
Laut dem Rambam in seiner Mischna Thora, Hilchot Teschuva, kann es zu einem Zustand kommen, in welchem der Mensch keine Chance mehr zur Teschuva (Umkehr zu G - tt) hat. Er ist dann nur noch ein Werkzeug G - ttes, ohne jedoch davon eine Ahnung zu haben.
Bestes Beispiel ist Pharao. In der Thora steht, dass G - tt Pharaos Herz erhaertete und dieser gar nicht mehr anders handeln konnte.
In dem Moment war der freie Wille sowie die Umkehr Pharaos futsch.
Es gibt nicht wenige Kommentatoren, die sagen, dass gewisse Situationen hervorgerufen werden, um die Juden zur Teschuva zu bewegen. Letztendlich aber koennen wir alle sicher sein, dass G - tt einen Plan hat, den wir nicht immer nachvollziehen koennen.