Donnerstag, März 13, 2008

Aufschrei !!!

B"H

Noch vor einigen Monaten ging ich in der Masse unter. Wenn ich zu einem chassidischen Tisch kam, sprachen einige chassidische Frauen mit mir und ich stellte Fragen. Das war alles.
Am Freitag abend (Erev Schabbat) rein in in die Synagoge zum Tisch, gelegentlich Fragen gestellt, den Tisch und die Atmosphäre genossen, und dann wieder heimgegangen. Mehr nicht.

Zwischenzeitlich hat sich jedoch alles grundlegend verändert. Chassidische Frauen haben begonnen, mich wiederzuerkennen. Besonders jene weiblichen Mitglieder der extremen chassidischen Gruppe Toldot Aharon, bei denen ich unzählige Male am Tisch des Rebben teilgenommen habe. Kürzlich hatte ich eine längere intensive Diskussion mit einigen ihrer Frauen während eines Tisches. Und fragt lieber erst gar nicht, mit wievielen ihrer Frauen ich bei der Hochzeit des Enkels von Rebbe David Kahn (vor gut zwei Wochen) sprach. Zusätzlich nahm ich einige Male am Morgengebet (Schacharit) am Schabbat teil. Am letzten Schabbat kam eine Frau direkt nach dem Schacharit auf mich zu und wir wechselten einige Worte miteinander. Sie erzählte mir unter anderem, dass ihre Eltern vor dem Krieg in München gelebt haben.
Tage darauf erfuhr ich von einem Vishnitzer Chassid, dass ausgerechnet jene Frau ein Familienmitglied einer der höchsten und angesehensten Rabbiner in der Chassidut Toldot Aharon ist.

Seit geraumer Zeit stören mich vor allem zwei Dinge:
Zum einen trage ich innerhalb der Woche oft Hosen und was geschieht, wenn mich die Chassidim so sehen ?

In Jerusalem, und ich nehme an in jeder weiteren haredischen (ultra – orthod.) Gemeinde auf der Welt, wird ein jeder sofort gemäß seiner Kleidung gerichtet. Eine Frau trage gefälligst einen langen Rock und ausschließlich Langärmeliges. Hierüber gibt es keinerlei Diskussionen, sondern das ist einfach so. Punkt.
Eine Frau, die Hosen trägt, ist säkuler. Sie muß säkuler sein, denn sonst würde sie schließlich nicht auf die Idee kommen, eine Hose überzustreifen.

Und hiermit kommen wir zu einem Punkt, der mich extrem stört:
Das Richten nach der Kleidung.
Aber was diskutiere ich hier lange herum ?
Es gibt darüber keine Diskussionen und Ausreden, denn die Verhaltensregeln sind festgelegt, und damit basta. Die haredische Gesellschaft wird sich aufgrund meiner Beschwerden garantiert nicht ändern, dies weiß ich sehr gut. Zu gut.

Nicht, dass ich mich unaufhörlich in haredischen Stadtvierteln bewege und mich so der Gefahr des Erkennens aussetze. Nichtsdestotrotz muß ich einmal pro Woche den haredischen Stadtteil Ge'ulah (neben Mea Shearim) durchqueren. Es gibt keinen Weg drumherum. Theoretisch könnte ich durch die Bar Ilan Street laufen, doch dieses bedeute einen riesen Umweg.

Jeden Dienstag gegen 20.15 Uhr durchquere ich die Strauss und gehe dann die Yechezkel hinab. Rabbi Mordechai Machlis in Maalot Dafna (hinter Ge'ulah und Mea Shearim gelegen) gibt einen Shiur (relig. Vortrag). Jeder Dienstag abend, wenn ich in Hosen durch Ge'ulah laufe, wird für mich zum Spießrutenlauf. Bei jedem Schritt muß ich aufpassen, dass ich ja niemandem begegne, der mich kennt. Vor zwei Wochen, zum Beispiel, stand ich an einer roten Ampel am Kikar Schabbat. Genau gegenüber auf der anderen Straßenseite erspähte ich eine Toldot Aharon Frau, die ich kenne. Sie war leicht wiederzuerkennen, denn sie ist einer meiner Tanten sehr ähnlich. Die Frau sah mich nicht, denn sie war mitten im Gespräch mit zwei Mädels. Und ich war busy mich zu verbergen. Vorgestern passierte mir fast das Gleiche wieder. Ständig kommt es mir vor als starren mich alle an.

Nun könnt Ihr sagen, dass ich ja meine Kleider vorher austauschen kann. Was ist das große Problem ?
Nur habe ich vorher keine Gelegenheit heimzugehen, um mich "anständig" anzuziehen.

Weiterhin kann man behaupten, dass ich mich endlich einmal entscheiden soll, was ich in meinem Leben machen will. Habe ich nicht genügend Zeit verplempert ? Soll ich nicht lieber endlich zusammenreissen und ansatzweise in die haredische Gesellschaft zurückkehren ?

Ja, das stimmt vollkommen, aber momentan sehe ich mich selbst nicht am großen "Zusammenreissen". Den Grund dafür habe ich noch nicht analysieren können. Insgeheim mag jene Angst eine Rolle mitspielen, dieselben Fehler wie vor einigen Jahren zu begehen und wieder in einer nervlichen Krise zu enden.

Auch kann man anmerken, dass ich ja schließlich meine Kleidung an dem Ort wechseln kann, an dem ich mich vorher aufhalte.
Gibt es da keine Toilette oder so ?

Dieses Argument ist das beste und ab kommendem Dienstag werde ich es genauso halten. Somit habe ich mein "Dienstagsproblem" zeitweilig gelöst.


Eine andere Sache, die mich extrem stört ist, dass ich den Toldot Aharon immer noch nicht mitgeteilt habe, dass ich im Internet schreibe. Fast jede andere chassidische Gruppe habe ich es soweit wissen lassen: Karlin – Stolin, Dushinsky, Vishnitz, Belz, Gur, bei Kretchnif befinde ich mich auf dem ernsthaften Weg dorthin, bei Avraham Yitzchak ist es einem Ehepaar bekannt. Aber zur Chassidut Toldot Avraham Yitzchak plane ich künftig noch viel mehr.

Trotz allem hat es sich soweit noch nicht ergeben, mit den Toldot Aharon Frauen über meine Aktivitäten zu sprechen. Irgendwie kamen wir nie richtig auf den Punkt zu sprechen. Manchmal entwickelte sich ein Gespräch annähern in die Richtung, aber im letzten Moment versagten meine Nerven.

Andere Chassidim sowie Freunde meinten, ich solle halt auf eine günstige Gelegenheit warten und es den Toldot Aharon dann mitteilen. Und das ist genau die Warteposition, in der ich mich momentan immer noch befinden. Mittlerweile ist es so, dass wenn ich zu deren Tisch gehe, ich fast explodiere und es geradezu herausschreien möchte. Niemand kann sich vorstellen, wie sehr mich der Zustand belastet. Es ist mir sehr wichtig, dass die Gruppe Bescheid weiß, denn ich bin nicht der Typ, der beabsichtigt, mit ihnen oder anderen Spielchen zu betreiben.

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