Freitag, August 01, 2008

Überraschungen

B"H

Eigentlich, ja eigentlich, hatte ich den heute Abend beginnenden Schabbat in Tel Aviv geplant. Chabad - Synagoge, dann einen Gang hinüber nach Bnei Brak, um vielleicht einen chassidischen Tisch eines Rebben aufzutreiben. Letzteres dürfte heute fast überall auf der Welt kaum möglich sein, denn an diesem Schabbat beginnt der neue jüdische Monat "Menachem Av" und somit die neun Tage vor dem Fasten - und Trauertag (um die beiden zerstörten Tempel) Tisha Be' Av (der 9. Av). Innerhalb dieser neun Tage gelten strenge halachische Regeln und alles gleicht einer absoluten Taruerzeit. Aber dazu mehr am kommenden Sonntag.

Von daher gehe ich stark davon aus, dass es heute Abend keine chassidischen Tische geben wird, obwohl die Trauerregeln am Schabbat nicht gelten, denn egal was, Schabbat bleibt Schabbat - ein freudiger Tag.

Da ich meinen Wohnsitz derzeit in Tel Aviv habe, doch mehrere Male in Jerusalem bin, stehe ich vor dem Problem der Unterkunft. Sollte ich in Jerusalem übernachten wollen, muß ich mir demnach einen Platz suchen. Manchmal bei Freunden oder in einem jüd. - relig. - litvischem Hostel in der Altstadt. Zu beiden hegte ich gestern nicht gerade die größte Lust und plante daheim in Tel Aviv zu bleiben. Aber Jerusalem wäre nicht Jerusalem, sollte einmal ein Tag ohne Überraschungen vergehen. Gestern Mittag traf ich in Downtown Jerusalem auf Rabbi Mordechai Machlis und der rannte sogleich auf mich zu und fragte, was ich denn am Schabbat mache.

"Tel Aviv - Bnei Brak", meinte ich.

"Nein, das komme ja gar nicht in Frage, denn ein Schabbat wird nun einmal in Jerusalem gefeiert. Wenn möglich bei ihm daheim mit all den weiteren 70 (oder so) Gästen".

"Ja, ich habe aber keine so rechte Unterkunft. Ich könnte bei Freunden in Mea Shearim übernachten, aber dann hänge ich bei ihnen fest und komme zu nichts Anderem. Oder ich gehe zu den Litvischen, wobei ich fast alle Freiheiten geniesse, aber einem Curfew um 1.00 Uhr nachts unterliege. Wer dann nicht da ist, steht vor geschlossener Tür. Und er, Rabbi Machlis, feiere ja eh schon bis Mitternacht Schabbat.

Der Rabbiner zögerte nicht lange: "Du kannst bei uns übernachten und falls meine Frau andere Pläne hat, naja, ruf mich heute Abend an. Haste meine Handynummer ?"

Er gab sie mir und ließ mich nicht mehr in Ruhe bis ich zusagte.

Kurz vor meiner Rückfahrt nach Tel Aviv fand ich jedoch eine andere Unterkunft für den Schabbat. Später rief ich den Rabbi an und hinterließ ihm eine Message. Und so werde ich den Schabbat in Jerusalem verbringen. Strikt religiös, aber ich werde mich benehmen. Gewisse Freiheiten habe ich auch und klebe nicht in einem System fest.

Und wie Rabbi Machlis immer so gerne zu erwähnen pflegt:
Im Talmud Traktat Bava Batra steht, dass die Jerusalemer zu Tempelzeiten Tischdecken als Flaggen vor ihre Haustüre hängten. Sobald eine Tischdecke draußen hing, wußte jeder vorbeigehende Passant, dass er praktisch in dieses Haus gehen konnte, um eine Mahlzeit zu essen. Einfach so. Man war eingeladen und die Tischdecke diente als offizielles Zeichen.

Zwar hängt bei den Machlises keine Tischdecke draußen, doch jeder ist eingeladen und bei ihnen hat man das Gefühl der Tempel stehe noch oder schon wieder (der zukünftige Dritte Tempel).

Weiter heißt es im Talmud, dass die Jerusalemer zu Tempelzeiten ihre Türen für jegliche Gäste öffneten. An den hohen Feiertagen kamen alle Juden nach Jerusalem, um im Tempel ihre Opferungen darzubringen, aber die damaligen Hotels konnten nicht Menschenmengen nicht bewältigen. Also boten die Einwohner ihre Häuser kostenlos an. Jeder war willkommen und niemand schlief auf der Straße.

Die Machlis - Familie setzt diese Tradition bis heute fort und jemand berichtete mir, dass Rabbi Machlis einmal sogar drei Leutchen in seinem Auto schlafen ließ. Im Haus war kein Platz mehr, denn dort schliefen schon mehrere Leute. Demnach mußte das Auto herhalten. Jerusalem ist nach wie vor eine Heilige Stadt und wer das nicht glaubt, der besuche die Machlis - Familie.

"Schabbat Schalom" an alle Leser und das ein jeder am Schabbat einen Platz findet. Die Machlises gibt es nur einmal auf der Welt, aber hoffentlich findet Ihr ähnliche Gastgeber.

2 Kommentare:

  1. Anonym5:16 PM

    B"H
    Schabbat Schalom an Dich,
    Schabbat Schalom an Familie Machlis,
    Schabbat Schalom an alle Gäste (auch an die Sukrrilsten unter den Skurrilen:-)))
    esther

    ps
    ich vermisse Dich!
    ich vermisse Euch! (und zähle die Stunden)

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  2. B"H

    Shavua Tov Esther,

    wir vermissen Dich hier auch. Die Machlises haben seit Freitag nachmittag eine neue Enkelin. Yael Nechama ist ihr Name und der Rabbi war am Schabbat dementsprechend happy. Du kennst ihn ja.:-))))

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