Dienstag, Januar 01, 2008

Die jüdische Phobie

B"H

In meiner vorherigen Umfrage ging es um das Thema: "Sollen Vorträge zum Judentum nur vor jüdischem Publikum gehalten werden ?"

Zwei Antworten machten bei den Abstimmenden das Rennen:

1. Das Publikum sei egal, Hauptsache man lerne etwas.

2. Es ist relevanter, zuerst Juden das Judentum zu vermitteln.

Ich selbst halte es mit der letzten Antwort. Leider ist es immer noch so, dass die Mehrheit der Juden auf aller Welt nur geringe Kenntnisse über ihre eigene Religion hat. Die Gründe sind, wie so häufig, unterschiedlich. Nur von mangelndem Interesse zu reden ist falsch. Vielmals liegt Interesse vor, nur fehlt es vor allem in Deutschland an qualifizierten Einrichtungen, in denen jemand ernsthaft über das Judentum unterrichtet wird.

Mit die einzige qualifizierte Einrichtung ist CHABAD, die Lubawitscher Chassidim, und wie ich Chabad kenne, werden dort NUR halachische Juden unterrichtet. Kein Wunder, denn das Chabad – Pensum ist keine leichte Kost und erfordert viel Einsatz. Wer wirklich interessiert ist, dem kann ich die Chabad – Shiurim nur weiterempfehlen. Wer da meint, die reden dann eh nur vom Meschiach oder Ähnlichem, der liegt falsch, denn Chabad lehrt alle Themen im Judentum. Von der Halacha über den Talmud bis hin zur Chassidut.

Was immer wieder von deutschen jüdischen Lesern bemängelt wird, ist der fehlende jüdische Bekanntenkreis. Natürlich kann jeder auch nichtjüdische Freunde haben, doch dies räumt das Gefühl nicht aus, dass immer etwas fehlt. Man will auch einmal unter sich sein und über ganz bestimmte Themen reden. Das ist nur allzu verständlich.
Eine Patenlösung für den fehlenden jüdischen Freundeskreis in Deutschland gibt es nicht. Entweder sucht man sich etwas Virtuelles im Internet, zieht dorthin, wo man auf einen derartigen Bekanntenkreis trifft (Berlin oder Frankfurt) oder man geht ins Ausland. Letzteres geschieht in letzter Zeit sehr häufig und nicht wenige junge deutsche Juden ziehen nach London oder New York. Insbesondere jene, die ein relig. Leben führen wollen.

Vielleicht sollte sich in Deutschland an sich einmal gefragt werden, warum in dessen Nachbarländern wie der Schweiz (Basel und Zürich), Belgien (Antwerpen) oder Österreich sehr wohl ein jüdisch – religiöses Leben stattfinden kann. Wie kommt es, dass sich sogar viele Chassidim in Wien niederlassen ? Wieso wird ausgerechnet dort eine dementsprechende Infrastruktur aufgebaut ?

Meine deutsche Erfahrung war, dass sich die orthod. Gemeinden immer selbst blockieren. Die dortigen Gemeinderabbiner wollen einfach niemanden neben sich wirken haben, denn sonst könnten die Schäfchen woanders hin überlaufen und der Gemeinderabbi steht allein da. Aber wie man so schön sagt: "Konkurrenz belebt das Geschäft" und zumindest Chabad kam gerade recht, um deutschen Juden einmal ein wenig Wissen zu vermitteln, was sie woanders kaum oder nur begrenzt bekommen.

Aber zurück zur vorherigen Umfrage.
Ich finde es äußerst wichtig, dass zuerst Juden unterrichtet werden. Wozu sollte sich jemand hinstellen und vor einem gemischten Publikum über die Kaschrut oder den Schabbat sprechen, wenn die Nichtjuden im Publikum dieses Thema gar nichts angeht ? Allgemeinere Themen dagegen können vor einem gemischten Publikum stattfinden, doch halte ich es immer so, dass ich Abstriche mache. Heißt, gewisse Dinge erwähne ich nur vor einem rein jüdischen Publikum. Genauso halt es übrigens mein Rabbi, Rabbi Mordechai Machlis.
Aber das wiederum geht im Endeffekt auf Kosten der jüdischen Zuhörer, denn sollten sie bei einem Vortrag vor Juden und Nichtjuden dabei sein, erfahren sie nur die Hälfte.

Bisher habe ich nur begrenzte Vortragserfahrung und wenn, dann ausschließlich vor amerikanischen Juden. Ein Freund von mir, David Salomon, gab mir seine Vortragserfahrungen weiter.
Er unterrichte ausschließlich nur Juden und seine Gründen waren die gleichen wie die meinen. Es sei wichtig, dass vorzugsweise die Juden selbst etwas über ihre eigene Religion und Identität lernen.

Als ich in der vergangenen Woche bei einem Shiur (Vortrag) war, sprach mich der Referent, Rabbi Chaim Eisen, an. In der Woche zuvor hatte ich mit ihm eine Diskussion über den Rambam, die wir gleich zu Beginn des Shiurs vor dem Publikum fortsetzten.
Hierbei ging es auch darum, dass der Rambam (Maimonides) sowie viele andere Thorakommentatoren (z.B. Rashi) es komplett ablehnen, wenn ein Nichtjude die Thora lernt. Zwar heisst in es in mindestens zwei Talmud – Traktaten (u.a. in Talmud Avodah Zarah 3a), dass ein Nichtjude, der sich mit der Thora beschäftigt, genauso anzusehen ist, wie ein Hohepriester (Cohen HaGadol). Doch der Rambam, Rashi, und andere kommentieren, dass dieser Passuk meint, ein Nichtjude solle sich ausschließlich mit denjenigen Thoralehren, welche sich mit den "Sieben Gesetzen der Noachiden" auseinandersetzen.

Rabbi Eisen merkte an, dass zu diesen Meinungen ein Disput entstand und andere wiederum die Ansicht vertreten, dass ein Nichtjude dann die Thora bzw. weitere jüdische Themen lernen darf, wenn er wirkliches Interesse zeigt und das Gelernte nicht falsch wiedergibt oder für christliche Missionszwecke ausnutzen will. Sprich, Gelerntes so verdreht, dass es in fragwürdige Missionstheorien paßt.

Aber wie unterscheidet man im Realfall zwischen einem interessierten Nichtjuden und demjenigen, der nur aus idiotischen Missionsmotiven beim Shiur auftaucht ?

Somit herrscht auf jüdischer Seite immer ein gewisses Mißtrauen, was sich bei Orthodoxen geradezu zur Phobie entwickelte. Und von daher ist es nur allzu logisch, dass selbst ich ein jüdisches Publikum vorziehe. Nicht aus dem Grunde, um alle andern auszuschließen, sondern weil ich bei einem jüdischen Publikum weiß, was ich habe. Dies schließt jedoch nicht aus, dass auch bei solch einem Publikum oft weniger tolle verständnisreiche Fragen kommen, doch ist es einfacher, damit zu leben.

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