Mittwoch, Januar 23, 2008

Die Armee des Rebben

B"H

Das im Jahre 2003 erschienene Buch "The Rebbe's Army" von Sue Fishkoff verursachte seinerzeit großes Aufsehen in den USA. Sue Fishkoff beschreibt in ihrem Buch ihre Besuche bei unterschiedlichen Chabad – Shlichim in den USA. Sie nahm an Schabbatessen teil und wurde zu vielen anderen Chabad – Veranstaltungen eingeladen.

Dem Titel zufolge erwarten viele ein Skandalbuch, aber meistens ist das Gegenteil der Fall. Die Autorin listet Fakten auf und gibt zu, Chabad tue sehr viele für Juden, die von ihrer Religion weit entfernt lebten. Niemals seien sie ohne die Hilfe von Chabad darauf gekommen, den Schabbat oder die Feiertage zu begehen oder koscher zu Essen.

Im Vorwort gefiel mir die Aussage von Velvel Green, einem Professor der Ben – Gurion University Beersheva, besonders gut:

"Früher oder später wird ein Astronaut auf dem Mars landen und wen wird der Astronaut dort antreffen ?
Einen Lubawitscher Shaliach".


Ein Shaliach oder im Plural "Shlichim" ist ein Abgesandter bzw. Abgesandte des Lubawitscher Rebben. Heutzutage existiert kaum ein Land auf der Erde, in dem es nicht wenigstens einen Chabad – Shaliach und ein Chabad – House gibt. Ob das in Katmandu oder in Zaire ist. Chabad ist überall. Vielleicht auch bald auf dem Mars.

Die chassidische Gruppe Chabad kann auf eine ca. 250 Jahre alte Tradition zurückblicken. Ihr Gründer, Rabbi Shneur Zalman von Liadi, war ein Schüler des Maggid von Mezritch, welcher wiederum der Nachfolger des Baal Shem Tov war. Rabbi Shneur Zalman war nie unumstritten; weder beim Vilna Gaon und seinen litvishen Anhängern und weder in der chassidischen Bewegung selber. Kritikern und Chassidismusexperten zufolge, entfernt sich die heutige Chabad – Bewegung immer mehr von ihren eigenen Konzepten. Man sagte mir sogar, dass gewisse Schriften ehemaliger Rebben zum Thema "Meschiach" nicht mehr aufzufinden seien, eben weil gewisse messianische Strömungen innerhalb Chabads eine weitere Publikation der ursprünglichen Aussagen zum Meschiach – Konzept verhindern wollen. Demzufolge könne dann von eben jenen Strömungen der siebte und letzte Lubawitscher Rebbe, Rabbi Menachem Mendel Schneerson, als der kommende Meschiach nicht mehr aufrecht erhalten werden.

Chabad zog schon immer unzählige Kritiker an. Und das weltweit. Sogar über die Emigration des sechsten Lubawitscher Rebben, der Schwiegervater des Rabbi Menachem Mendel, wird gemunkelt. Wie entkam der sechste Rebbe den Nazis ? Gab es tatsächlich einen Deal und man ließ den Rebben in die USA ausreisen ?

Tatsache ist, dass aus der ehemals kleinen Chabad – Gruppe ein riesiges Imperium wurde. Als Rebbe Menachem Mendel Schneerson im Juni 1994 verstarb, ging es erst so richtig los. Seit dem Jahre 1950 leitete Rebbe Menachem Mendel die Gruppe und war mehr als nur der geistige Führer. Er war eine außergewöhnliche Persönlichkeit mit Führungsqualitäten.

Bis heute befindet sich das Chabad – Hauptquartier in New York. In Brooklyn – Crown Heights, 770 Eastern Parkway.
Dort steht das Wohnhaus des verstorbenen Lubawitscher Rebben, welches sich auch heute noch hoher Besucherzahlen erfreut. Übrigens gibt es einen Zwilling davon, der im Kfar Chabad, bei Rishon LeZion in Israel, errichtet worden ist.

Viele andere orthodoxe Richtungen würden unheimlich gerne wissen, was sekuläre Juden an Chabad so anzieht. Zieht erst einmal ein Chabad – Shaliach mit seiner Family in die Nachbarschaft, dann rennen viele ausgerechnet in deren Einrichtungen und die litvishen Rabbiner bleiben einsam und allein im Hintergrund. Chabad kommt, grast ab und der Litvak hockt allein im Dunkeln. Und in kaum einem anderen Land spriessen die Vorurteile gegenüber Chabad so sehr aus dem Boden. In vielen Fällen angezettelt von der verängstigten litvishen Konkurrenz um ihre Schäfchen. Reform oder Litvishe, vielerorts hat man sich in Deutschland auf Chabad eingeschossen. Sie seien Missionäre und alle sind der Meinung, der letzte Rebbe komme als Meschiach wieder. Das sei doch kein Judentum.

Es ist richtig, dass Chabad die Reformbewegung absolut ablehnt, aber wer tut das nicht als orthodoxer Jude ? Wenn Chabad missioniert, handelt es sich dabei ausschließlich um Juden. Vorzugsweise sekuläre Juden. Zu Chabad – Veranstaltungen werden nur halachische Juden zugelassen. Den letzteren Punkt kann ich nur befürworten, denn manche amerikanische Programme, in denen ich Vorträge halte, laden nicht selten Reformkonvertiten oder Jugendliche ein, wo nur der Vater Jude ist. Da frage ich mich und andere Redner übrigens auch, was wir solchen Leuten spirituell rüberbringen sollen.

Während litvishe Rabbiner ihre oftmals stocksteifen Schabbatessen abhalten, bringt Chabad Stimmung in die Bude. Nicht nur, dass chassidische Melodien gesungen werden, auch spirituell gibt es etwas zu lernen. "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein", so heißt es in der Thora und der Chassidismus lehrt, dass der Mensch nicht nur aufgrund seiner Nahrung lebt, sondern auch aufgrund seiner spirituellen Nahrung (der Thora).

Chabad lädt jeden Jude nein, egal, welchen Background derjenige hat. Jeder kann kommen, wie er will und ist willkommen.
Chabad ist Outreach pur.

Nicht aus dem Grund, um immer mehr Anhänger zu finden, sondern um jedem Juden die Möglichkeit zu geben, eine Mitzwah zu erfüllen. Dieses Konzept war für Rabbi Menachem Mendel Schneerson von immenser Bedeutung. "Ahavat Israel – Die Liebe zum Volke Israel". Alle Juden sind durch eine gemeinsame Seele miteinander verbunden und jeder Jude muß gleichermassen geliebt werden. Egal, auf welchem Thoralevel er sich befindet. Ganz Israel ist ein Körper und eine Seele. Dieses Konzept stammt nicht nur allein von Chabad, sondern wird von anderen chassidischen Gruppen wie Toldot Aharon oder Vishnitz genauso vertreten. Chabad jedoch lehrt und lebt das Konzept in einer etwas anderen und offeneren Art und Weise.

Nachdem der letzte Rebbe im Juni 1994 verstarb, wurden bis 2002 ganze 610 Chabad Shlichim – Ehepaare in alle Welt gesandt. Allein 705 neue Chabad – Institutionen wurden in der Zeit eröffnet. Die genaue Zahl der Chabad – Mitglieder ist unbekannt, doch konkurrieren sie mit der größten chassidischen Gruppe Satmar, welche gemäß aktuellen Angaben eine Mitgliederzahl von 150.000 Juden hat.

Jeder Chabad – Shaliach ist für seine Finanzen selber zuständig und nicht wenige Male im Jahr ist er gezwungen, sich auf den Weg zu machen, um Spender zu finden. Dabei sind die USA, Kanada, Südafrika oder England beliebte lukrative Ziele. Dort leben die Reichen und geben schon einmal den ein oder anderen Scheck. Ein großer Spender Chabads ist Bob Dylan. Hollywoodgrößen wie Meryl Streep sind genauso mit von der Partie. Bei Chabad – Veranstaltungen stößt man nicht selten auf Redner wie den US – Senator Joseph Lieberman oder den Schriftsteller Elie Wiesel.

Chabad verfügt über Geldquellen, um sich auszubreiten. In den USA werden sie nicht selten dafür kritisiert, aber dennoch auch hoch gelobt. Koscheres Essen an Unicampussen, Ferienlager, Schabbatessen, Mazzot zu Pessach, Vorträge. Wenn Chabad in der Nähe ist, steht kein Jude allein da. Im Gegenteil zum litvishen Movement, wo es teilweise eine selektive Auswahl für Schabbatessen gibt. Bei Chabad ist jeder eingeladen. Internet, Movies, Bibliotheken, Chabad bietet etwas und die Leute springen darauf an. Die Gruppe betrachtet sich als Brücke zwischen der religiösen und sekulären Welt. "Wir versuchen, die Welt zu einem besseren g - ttlicheren Platz umzugestalten, bis der Meschiach kommt", so Rabbi Sholtiel Lebovic aus Crown Heights. Jeder Jude ist gleich wertvoll und jeder einzelne sollte sich der Religion mit seinem eigenen individuellen Tempo nähern. Nicht hopplahopp und ich bin von heute auf morgen religiös. Mit diesem Konzept steht Chabad auch wieder nicht allein, denn die Chassidut Breslov propagandiert dieses einstige Konzept des Rabbi Nachman von Breslov.

Nicht selten mischt Chabad auch in der Politik mit. Sowohl in Israel durch Benjamin Netanyahu als auch in den USA. Die Bewegung verfügt über beträchtlichen Einfluß in Washington.

Der große Knackpunkt aber ist immer wieder das Thema "Meschiach". Ist der letzte Rebbe der Meschiach ?

Drei Jahre lang habe ich intensive an Chabad – Unterrichten teilgenommen. In Jerusalem und auch im Norden, in Safed. Ich kenne unzählige Chabad – Mitglieder und habe gute Freunde unter ihnen. Ich war bei Schabbatessen oder nur so auf Besuch. Keiner aber konnte mir jemals erklären, warum Rabbi Menachem Mendel Schneerson als Meschiach gesehen wird. Wobei hier wichtigerweise angemerkt werden muß, dass nicht alle Chabad – Mitglieder Meschichisten sind. Chabad teilt sich in eben jene zwei Meinungshälften auf.

Der Rebbe sei einmal persönlich gefragt worden, ob er der Meschiach sei. Er habe nur genickt, was aber eigentlich weder JA noch NEIN bedeutet. Seine Anhänger jedoch nahmen es als ein JA auf. Rabbi Schneerson beging hierbei einen Fehler, denn er hätte eindeutig Stellung beziehen müssen. Das hat er versäumt.

Seitdem er 1950 das Amt des Rebben übernahm, war er in aller Welt als "Wunderheiler" bekannt und es ranken sich viele Stories um ihn. Wer will, der kann eine Auswahl im Internet nachlesen oder entsprechende Chabad – Literatur kaufen. Täglich versammelten sich Tausende von Menschen in der 770 und warteten auf ein Gespräch mit ihm. Juden sowie Nichtjuden.

Es ist unbestreitbar, dass Rabbi Schneerson und herausragender Rabbiner war, aber ihn als Meschiach sehen…..?

Andere chassidische Gruppen reagieren in den wenigsten Fällen positiv auf Chabad. An dieser Stelle seien einmal Satmar und Vishnitz als Kritiker genannt.

Seit fast 14 Jahren ist Chabad ohne einen Rebben, hat es aber verstanden, die Ideologie mehr oder weniger aufrecht zuerhalten. Vom Meschiachstandpunkt einmal abgesehen. Die Erinnerung an den Rebben wird durch Poster, Bücher und alle Art von Publikationen aufrecht erhalten. "Es lebe der Rebbe".



Alles in allem ist Chabad sehr zu empfehlen und Hemmungen bzw. Vorurteile ihnen gegenüber sind nicht immer gerechtfertigt. Bezüglich Deutschland tut kaum eine orthodoxe Gemeinde soviel für ihre Mitglieder wie Chabad. Damit meine ich vor allem Vorträge (Shiurim). Was ich aber jedem anrate ist, auch in andere chassidische Gruppen hineinzuschauen und sich nicht nur allein auf Chabad zu beschränken und zu meinen, dass sei der ganze Chassidismus.

2 Kommentare:

  1. Anonym6:37 PM

    ich denke, chabad ist nett für anfänger und für leute, die wirklich keinen anderen ort finden, an den sie gehen können. alles in allem aber ist chabad recht oberflächlich. gewiss, sie machen allerortens die gleichen wiedererkennbaren eiscremeparties oder das gleiche chanukkazünden mit grossem publikum, geben schiurim in tanja und manchmal sogar ein wenig in schulchan aruch. aber tiefer geht es nicht. dazu kommt, dass chabad - hier kommt es vielleicht auf die ortsansässigen schluchim an, nicht alle sind gleich - den leuten zwar zunächst die arme öffnet, aber dann doch recht deutlich macht, wie die hierarchie läuft. man wird das gefühl nicht los, dass die jeweiligen schluchim sich hier die arbeitsplätze schaffen - und das nicht selten mit den spenden ortsansässiger. in kfar chabad oder in williamsburg würde man sich auch auf die füsse treten, also muss man "raus".
    man muss sich das positive nehmen, aber so richtig "warm" mit chabad werden wohl doch nur wenige.
    mich persönlich irritiert bei dem ganzen outreach die vorstellung, dass vielleicht in 50 jahren keiner in deutschland mehr weiss, dass es ausser dem tehilat-chai auch noch andere siddurim auf der welt gibt ;).

    AntwortenLöschen
  2. B"H

    Chabad hat immer einen Anfaenger - Touch. Da geht man halt zu ihnen, hat ein nettes Essen und hoert ganz gute Shiurim. Wer nichts anderes kennt, der ist begeistert. Und ich wage einmal zu behaupten, dass es in Deutschland nicht zuviele Alternativen gibt. Jedenfalls keine, bei denen man etwas Spirituality lernt.

    Aber Chabad ist, wie Du sagtest, nicht ohne Hiercharchie, was schon alleine klar wird, wenn man das Chabad - Hostel Ascent in Safed betritt und sich diversen Fragen beim Einchecken unterziehen muss.

    Weiter wird derjenige hinausbefoerdert, der allzu kritisch daher kommt. Bloss nicht bei den Shiurim herumstoeren.:-)

    Ganz wichtig ist, sich andere Stroemungen im Judentum anzuschauen. Nicht jeder steht auf Chabad und es gibt auch noch die Litvishen, die Nationalrelig. und natuerlich andere chassidische Gruppen.

    Als ich bei Chabad erwaehnte, dass ich zu anderen chassidischen Gruppen gehe, gab es ziemlich boese Bemerkungen.

    Aber das Monopol haben sie nicht gerade gepachtet. Auch wenn es in Deutshland manchmal so scheint.

    AntwortenLöschen