Mittwoch, Mai 21, 2008

Die "Epistel der Märtyrer"

B"H

Wer die Philosophie im Judentum sucht, der befasse sich ausgiebig mit den Schriften des Rambam (Maimonides). Mit seinem "Moreh Nevuchim – Führer der Unschlüssigen" oder seinen Episteln, zum Beispiel.

Hineingeboren in eine Zeit der Katastrophen, beweist uns gerade der Rambam, wie überlebensfähig das Judentum sein kann. Der Rambam, Rabbi Moshe ben Maimon (Maimonides), wurde im April 1135 im spanischen Cordoba geboren. Die Stadt befand sich damals unter moslemischer Herrschaft, doch schon wenige Jahre später wurde Spanien von den Almohad (Al Muwahhidun) überrannt. Ursprünglich kamen die Almohad aus Marokko, welches sie zuerst eroberten. Heutzutage kann man sich die Almohad als die damalige Al Khaida vorstellen. Überaus fanatische Moslems, die alles dem Erdboden gleichmachten, wenn man sich ihrem Willen nicht fügte.

Es versteht sich von selbst, dass die Familie des Rambam nicht gerade zum Islam konvertieren wollte und so begann für sie eine Zeit des Umherwanderns, bis sie schließlich im Jahre 1160 in Fez (Marokko) landeten. Von dort aus ging es im Jahre 1165 weiter nach Ägyten. Bis heute halten sich in moslemischen Kreise hartnäckige Gerüchte, dass der Rambam sehr wohl zum Islam konvertierte. Dieser Behauptung jedoch unterliegen keinerlei Beweise und niemand könnte sich real betrachtet vorstellen, dass ausgerechnet jemand wie der Rambam zum Islam konvertiert. Und falls dem so wäre, wieso nannte er in seinem "Iggeret Teman – Epistle of Jemen" den moslemischen Propheten Muhammed geich dreimal einen Verrückten (Madman) ?

Die "Epistel der Märtyrer" verfasste er wahrscheinlich im Jahre 1165; kurz nachdem seine Familie Fez in Richtung Ägypten verließ. Der Inhalt der Epistel besteht aus Ratschlägen, wie ein Jude sich bei einer etwaigen Zwangskonversion zu verhalten hat. Laut dem Rambam machen sich Juden, welche unter Androhung von Gewalt Götzendienst leisten, keines Vergehens schuldig und dürfen ebenso wenig "Rascha – Böse" genannt werden.

Rambam's Vorschläge diesbezüglich:
Auf gar keinen Fall Götzendienst in der Öffentlichkeit betreiben oder Freude dabei zu empfinden.
Aber hat nicht Esther (siehe das "Buch Esther") auch öffentlichen Götzendienst betrieben ?
Ja, aber sie gab sich ständig passiv.
Rava kommentiert: Es besteht ein Unterschied, ob mir der Götzendienst persönliche Freude bereitet.

G – ttes Namen zu verunglimpfen ist eines der gravierensten Vergehen überhaupt. Kein anderes Vergehen ist in der Thora so häufig aufgeführt wie eben der Götzendienst, und gerade für ihn besteht kaum eine Wiedergutmachung. Wer G – ttes Namen hingegen alle Ehre macht, wird unbeschreiblich belohnt.

Der Rambam schlägt vor, jene Orte zu verlassen, an denen Juden aufgrund ihrer Religion unterdrückt werden. Eine Begründung hierfür sieht er im Falle Avrahams, der mit seiner Familie fortzog, um seinem G – tt zu folgen und zu dienen. Der Rambam liest heraus, dass jeder schon einen gewisse Anstrengung unternehmen sollte, um sich von den Ungläubigen fernzuhalten.

Die neuen Almohad – Herrscher verlangten von den spanischen Juden eine öffentliche Proklamierung, dass es keinen G – tt gibt, sondern nur Allah und das Muhammed dessen Prophet sei. Ansonsten wiederfuhr den Juden nichts und sie wurden nicht gezwungen, nach dem islamischen Glaubensregeln zu leben. Trotzdem, die aufgeführte Proklamation mußte in aller Öffentlichkeit gemacht werden. Und genau das stellt halachisch ein riesiges Problem dar.
In der mittelalterlichen Welt waren Religion und Politik untrennbar miteinander verknüpft; die Theologie einer Privatperson war keine Privatangelegenheit, sondern bestimmte ebenso den sozialen sowie politischen Status des Einzelnen. Zusätzlich nahmen das Judentum, der Islam und auch das Christentum für sich in Anspruch, der wahre Erbe der eigentlichen Tradition zu sein. Wer einer dieser Religionen angehörte, stellte automatisch die anderen zwei Religionen in Frage. Oder besser, er lehnte sie ab. Der Islam beschuldigte die Juden den Namen Muhammeds aus dem biblischen Text entfernt zu haben. Man verlangte sogar von den Juden zuzugeben, dass die Eltern oder Großeltern und alle vorherigen Generationen den falschen Glauben vertraten; nämlich das die Thora einzigartig und für alle Ewigkeiten Gültigkeit besitzt.

Maimonides (der Rambam) entschied, dass Märtyrertum auf die spanischen Juden unter den Herrschern der Almohad nicht zutraf. Wie wir wissen, sind Juden verpflichtet, sich bei zwangsauferlegten Vergehen eher umzubringen als die Vergehen auszuführen. Gemeint sind hier sexuelle Perversionen, unkoscher Essen und eben der Götzendienst. Der Rambam hingegen bestimmte, dass es in diesem Fall keiner Konsequenzen bedarf. Allerdings erliessen andere Rabbiner gegenteilige Bestimmungen. Von daher wurde gesagt, dass der Rambam eher die Politik mit in seine Entscheidung einfliessen liess als die Halacha.

Da die Almohad die Juden nicht zwangen, ihr Judentum incl. der Mitzwot (Thoragesetze) aufzugeben, um stattdessen an islamischen Praktiken teilnehmen zu müssen, gab es guten Grund anzunehmen, dass ein Nachgeben der Juden ihren Gemeinden keinen irreparablen Schaden zufügen könnte. Außerdem sah der Rambam im Islam keinerlei Widerspruch zum Glauben an die Einheit G – ttes. Diese beiden Faktoren spielten die wichtigsten Rollen in seiner Entscheidung. Ja, er war sogar bereit, die jüdischen Gemeinden anzuweisen, sich den Almohad zu fügen und nicht den freiwilligen Tod zu wählen. Der Rambam machte es den Lesern seiner Epistel äußerst klar, dass die Situation der spanischen Juden sehr komplex und in vielerlei Hinsicht einzigartig war. Es handele sich hier einzig und allein um eine Ausnahmesituation. Aber er verleugnete dennoch nicht, dass die Almohad eine Situation hervorgerufen hatten, in welcher das Märtyrertum legitim und sogar ein nobler Akt sei.

Andererseits war der Rambam gegen die Märtyrerlösung (den Freitod). Eine solche Ausnahmesituation, in der eine Lösung nicht ganz klar zu definieren war, sollte mit "Ruhe bewahren" überstanden werden. Übereifriges Märtyrertum sei gegen jede Halacha. Weiterhin machte er in seiner "Epistel der Märtyrer" klar, dass jene Juden, die unter den Almohad litten, einen Akt des "Kiddusch HaShem – Heiligung G – ttes" vollbracht hatten.

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Inhalte aus dem Buch "Crises and Leadership – The Epistles of Maimonides" von den Autoren Halkin / Hartman.

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