Sonntag, Mai 11, 2008

Langweiliger G - ttesdienst ?

B"H

Wer sich entschließt, einfach nur mal eben so in die Synagoge zu gehen, richtig relig. zu werden und mit allem was dazugehört zu beten oder wer zum orthodoxen Judentum konvertiert, dem wird eines kompliziert vorkommen. Vorausgesetzt er war vorher noch nicht mit einem jüdisch - orthod. Gebetbuch (Sidur) in Berührung gekommen.

In der Diaspora geht es oft gemächlicher zu und wenn der Synagogeng - ttesdienst von Vorbetern bzw. Rabbinern geleitet wird, die die hebräische Sprache nicht ihre Muttersprache nennen, dann kann es schonmal länger dauern. Für jene Betenden, welche mit dem Sidur weniger vertraut sind und dem G - ttesdienst in einer fremden Sprache (Hebräisch) nur schwer und gar nicht folgen können, erweist sich die "Langsamkeit" durchaus positiv. Wenigstens kann man einigermassen folgen und wer den Anschluß verpasst, stößt halt irgendwann wieder dazu. In Israel hingegen geht es anders zu, denn dort wird zügig gebetet. Meine ausländischen Freude kommen jedesmal wieder ins Wanken. "Äh, auf welcher Seite im Sidur sind wir jetzt wieder"?

Auch wer sich auskennt, kann bei der Gebetsmasse oft verloren gehen. Immer spielt dabei eine Rolle, wo sich der G - ttesdienstbesucher gerade befindet. In einer sephardischen Synagoge ? Hui, dann wird's kompliziert.
Teilweise etwas andere Riten (z.B. beim Kaddisch wird gesessen) und andere Aussprachsweisen. Bei den Jemeniten wußte ich nie, wann denn jetzt AMEN gesagt wird, da ich den Text nie verstand.

Wer es einigermassen einfach haben will, der gehe zu den aschkenazischen Nationalreligiösen oder den ebenso aschkenazischen litvischen Juden. Die Chassidim wiederum sind längere Gewöhnungssache, wobei eine zusätzliche Komplikation auftaucht. Viele chassidische Gruppen nämlich verfügen über ihr eigenes Sidur (Satmar, Toldot Aharon, Toldot Avraham Yitzchak, Chabad oder Karlin - Stolin, zum Beispiel). Und die Aussprache ist genauso gewöhnungsbedürftig. Besonders bei chassidischen Gruppen, welche ihren Ursprung in Ungarn oder der Ukraine haben. Aus dem "E - lo - h - ei - nu" wird da beispielsweise ein "E - lo - h - ei - ni".

Der amerikanische Artscroll - Verlag hat sich einige Besonderheiten einfallen lassen. So werden Sidurim mit den sogenannten "Transliterations" angeboten. Auf zwei Seiten finden wir den hebräischen Gebetstext, die engl. Übersetzung sowie die Transliteration - die hebr. Sätze in Engl. ausgeschrieben.
Dieses Sidur ähnelt meiner Meinung nach einem schwerfälligen Klotz. Wenn es da in der Synagoge schneller und professioneller zugeht, dann hängt man da. Wo schaue ich jetzt hin ? Aufs Hebräische, aufs Englische oder mühe ich mich flugs mit der Transliteration ab ?
Eine Freundin von mir will mir glauben machen, dass sie sich auf alle drei Arten konzentrieren kann. Immerhin sagt sie, dass sie mitkomme. Mehr oder weniger. Allerdings helfe ich ihr dennoch recht häufig.

Wer regelmässig in die Synagoge geht, der gewöhnt sich an die Riten und die Gebete. Am Anfang erscheint alles furchtbar wild und durcheinander. Mit der Zeit jedoch geht es wesentlich besser. Von Vorteil wäre auch, sich in verschiedenen Synagogen umzuschauen. Ich weiß, dass dies gerade in Deutschland kaum möglich ist, denn es gibt fast immer nur eine Synagoge in einem Ort. In London, Antwerpen, New York und vor allem Israel sei dies jedoch zu empfehlen. Einfach einmal neue Leute kennen lernen und andere Gebetsformen erleben. Besonders interessant und vielfältig geht es bei den Chassidim zu. Allgemein gilt, dass Gebete im hebräischen Original anerkannter sind als jene, die in einer fremden Sprache gebetet worden sind. Der Schulchan Aruch (Code of Jewish Law) jedoch sieht keinen Widerspruch in Gebeten in anderen Sprachen. Bekanntlich dann nicht, wenn der Betende des Hebräischen nicht mächtig ist und gar nicht versteht, was er da betet.

In der Synagoge sowie im Gebet muß jeder irgendwo seinen eigenen Weg finden. Der Zugang zu G - tt ist individuell und litvisches stocksteifes Herumstehen ohne jegliche Euphorie klingt nicht gerade nach "Kavanah - Konzentration", sondern eher nach "Gebet am Fließband".

Es gibt widersprüchliche Meinungen darüber, aber real zeigen sich die G - ttesdienstbesucher etwas beschämt vor sich selbst. Okay, ich bin gerade mitten in einem Gebet. Soll ich das jetzt erst zuende beten oder lieber der Masse folgen. Seiten überschlagen, um einen guten Eindruck zu schinden und nicht anzuecken ?
Manchmal mag dies vielleicht angebracht erscheinen, dennoch sollte sich ein jeder ein gewisses Bet - Selbstbewußtsein zulegen. Ich bete jetzt, komme was wolle und die Gemeindemitglieder können mir den Buckel herumterrutschen.

Und gerade die Intensität ist es, die ein Gebet ausmacht und die einen sich hinterher besser fühlen läß. "Wow, was für ein Davening (Beten)" ?

Bin ich in der Lage, dem G - ttesdienst zu folgen oder nicht ? Einige Dinge sollte man jedoch nie aus den Augen verlieren:

- Bei meinem Gebet stehe ich vor G - tt selbst und darauf sollte ich mich konzentrieren. Dies ist zu vergleichen mit jemandem, der vor seinem König steht.

- Nie aufgeben, auch wenn man einmal den Faden verliert.

- Wenn es denn gar zu schnell geht, sich einfach auf einige wenige Sätze oder ein Konzept konzentrieren und dieses dann mit absoluter Intensität (Kavanah) beten. Lieber einige Paragraphen richtig beten als sich nur schnell durch alles mühsam durchzuquälen.

All das ist nicht einfach, aber nach einier Zeit sollte man schon ein gewisses Selbstvertrauen aufbringen. Und daheim gibt es auch genügend Gelegenheiten zum Praktizieren.

Ähnliche Links:

Anmerkungen zum Gebet im Judentum

Engel und Gebete

Die Geschichte des Sidur (Gebetbuch)

Das Tor der Tränen

Halachisches & Kabbalistisches zum Gebet

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