Dienstag, Mai 06, 2008

Die Gefahr der unrichtigen Darstellung (Teil 1)

B"H

Mein ursprüngliches sowie aktuelles Anliegen dieses Blogs ist die Aufklärung über das ultra - orthodoxe Judentum.

Nun versteht man in anderen Sprachen, außer Hebräisch, unter orthodoxem Judentum vielerlei Arten.

In Israel hingegen gibt es den Begriff "ultra - orthodox" gar nicht, sondern hier unterscheidet sich die Gesellschaft ganz einfach in "säkuler und religiös". Bei den Religiösen gibt es die Nationalreligiösen, die litvischen Haredim sowie die Chassidim.

Besonders gegen die haredische (litvische sowie die chassidische) Welt bestehen von außen her eine Menge Vorurteile. Da sieht man Leute, die sich dem Anschein nach komisch anziehen. Immer schwarze Anzüge, weisses Hemd, ggf. lange Kaftane und am Schabbat oder Feiertag einen Streimel (Pelzmütze) auf dem Kopf. Mit einem reden tun sie auch nicht und scheinen eher höchst beflissen ihrer eigenen Wege zu gehen. Dazu sind sie wohl auch noch weltfremd und leben irgendwo hinter dem Mond. Radikale Fundamentalisten, die mit ihrer Männerwelt die Frauen beherrschen und alle Säkuleren drangsalieren.

Wer genauso denkt, dem darf ich mitteilen, dass er vom realen Leben der Haredim keinen blassen Schimmer hat.

Mein grosses Problem besteht darin, gegen eine von jeglicher Presse verbreiteten stereotypen Meinungen anzukämpfen. Derjenige, der die Welt der Haredim kennt, regt sich jedesmal furchtbar über den Dilettantismus der Außenstehenden auf. Mittlerweile macht mir das weniger zu schaffen, denn ich habe mich wie andere Religöse daran gewöhnt, keine Artikel solcher Journalisten zu lesen, welche ganz offensichtlich keine Ahnung haben. Laßt sie doch ihren Müll verfassen.

Andererseits jedoch bekommt so die Öffentlichkeit einen falschen Eindruck und dies könnte vermieden werden, wenn mehr Aufklärung herrsche. Aber da lassen Zeitungen lieber Journalisten los, die keine Ahnung vom Fach haben und wenn es sein muß, sich schnell einmal eben durchgoogeln.

Neulich ist mir erst wieder ein Artikel in der "Jüdischen Allgemeinen Wochenzeitung" aufgefallen. Ich glaube, es war in einer der Aprilausgaben, in der ein Artikel zu den sogenannten "koscheren Bussen" in Jerusalem zu finden war.

Zuerst einmal vermittelte das Photo zum Artikel einen völlig falschen Eindruck. Nach dem Lesen des Artikels und dem Anschauen des Photos bekam man den Eindruck, sämtliche Jerusalemer Busse seien von den Haredim besetzt und die Frauen müssen alle draußen bleiben. Dazu wurde die amerik. - israel. Schriftstellerin Naomi Ragen ebenso wie eine Frau, welche in einem Bus von Haredim angegriffen worden war, zitiert. Beide Zitaten schienen gegoogelt. Und nur nebenbei bemerkt, Naomi Ragen schrieb zwar Bücher über die haredische Gesellschaft, doch sind ihre Starlett - Zeiten längst vorbei. Ab und zu versucht sie Aufmerksamkeit zu erregen, was ihr jedoch kaum noch gelingt. Dazu ist sie keine Haredit, sondern nationalrelig.

Es ist unbestreitbar, dass es vor Monaten einige Fälle gab, in denen Frauen von männlichen Haredim in Bussen angemacht worden waren. Sie sollen sich doch gefälligst in den hinteren Teil des Busses setzen, der im allgemeinen als "Frauenabteil" gilt. Vor mehr als einem Jahr gab es sogar einen tätlichen Angriff auf eine Frau. Der letzte angeblich tätliche Angriff in Beit Shemesh ist nicht unbedingt offiziell bestätigt worden. In der israel. Presse gab es wilde Berichte, doch im Endeffekt wurde nichts bewiesen.

Grundsätzlich darf jede Frau in Jerusalem Bus fahren und sie darf sitzen, wo sie will !!!

Unterschiede werden von EGGED nicht gemacht. Allerdings ist es in bestimmten Buslinien üblich, dass die Frauen hinten und die Männer vorne sitzen (z.B. Linie 35, 36, 15, 1, 2, 16). Üblich bedeutet jedoch keinesfalls Gesetz !!!

Zum Beispiel benutzte ich in der Vergangenheit über mehrere Monate hinweg die Linie 35 von Ramot und hatte nie Probleme. Selbst dann nicht als ich es wagte, die Sitzregeln zu brechen. Und ich brach sie ständig.

Niemand sagte je etwas zu mir. Auch in den anderen Linien sitze ich, wo ich will. Nie hörte ich Beschwerden der männlichen Haredim.

Es kann vorkommen, dass Linie 1 eine Ausnahme ist. Das Problem liegt hier bei EGGED. Wie kann man einen Bus einsetzen, der den Busbahnhof in Richtung Kotel (Klagemauer) verläßt ? Klar, steigen hier auch mal leicht bekleidete Touristinnen ein und die Haredim regen sich auf. Wie kann ich einen "fast Touristenbus" zur Kotel schicken und mittendrin alle haredischen Gebiete abklappern ?

Frauen müssen nicht draußen bleiben, wie in dem Artikel behauptet wurde. Und EGGED wird einer anderen Regelung in der Zukunft nicht zustimmen. Dies schon allein aus wirtschaftlichen Gründen.

Andererseits benutzen viele chassidische Gruppen überhaupt keine EGGED - Busse, wie, zum Beispiel, die Mitglieder der anti - zionistischen Dachorganisation "Edah HaCharedit" (Satmar, Dushinsky, Brisk, Spinka, Toldot Aharon oder Toldot Avraham Yitzchak). Diese Gruppen haben ihre eigenen Privatbusse.

Und wer in den EGGED - Bus von Jerusalem nach Bnei Brak steigt, der weiß von vornherein, was ihn erwartet. Die Linie 402 wird fast ausschließlich von Haredim genutzt und bei haredischen Frauen kommt erst gar nicht die Diskussion auf, wo sie sich jetzt hinsetzen soll. Automatisch setzt sich die Frau nach hinten und denkt nicht an weibliche Diskriminierung.

Es sollte allerdings nicht verborgen bleiben, dass es bezüglich der "koscheren Busse" bzw. der nach Geschlechter getrennten Sitzordnung, ebenso viel Kritik aus den eigenen Reihen, sprich der haredischen Gesellschaft, gibt. In einigen jüd. – relig. Blogs wird zum Thema kräftig abgelästert.

Trotz allen Aufruhrs sollte man sich dennoch einmal fragen, warum die Haredim so reagieren ? Vielleicht wäre es keine schlechte Idee, einmal die andere Seite zu betrachten und sich versuchen, dort hineinzuversetzen. Und um dies zu ermöglichen, sollte ein Journalist eine längere intensive Studie vor Ort betreiben und die haredische Gesellschaft kennen lernen. Ansonsten werden falsche Informationen verbreitet und dadurch zusätzlicher Haß geschürt.

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Miriam Woelke, mehrjährige nationalrelig. + litvisch - haredische Yeshivavergangenheit.

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