Sonntag, Mai 18, 2008

Chassidische Sehnsüchte

B"H

Wie sehr hatte ich es innerhalb der vergangenen Wochen doch vemisst: Meine Anwesenheit in chassidischen Gefilden.

Nicht, dass ich ganz und gar raus war, doch hatte ich dennoch eine kleine Ruhepause eingelegt und war alles etwas lässiger angegangen. Nichtsdestotrotz, an diesem gerade vorübergegangenen Schabbat war wieder alles beim Alten.

Innerhalb der letzten zwei Wochen beschränkte sich mein "haredisches (ultra - orthod.) Leben" nur mehr oder weniger auf die chassidische Gruppe Breslov. Ein anderer Blogger hatte mich gebeten, einen Artikel für seinen Blog zu schreiben, der so Einiges auslöste. Außerdem meldet sich die Chassidut Breslov vermehrt bei mir, wobei ich hinzufügen muß, dass ich kein Mitglied der Breslover bin und dies auch nicht vorhabe zu werden. Ich berichte über alle möglichen chassidischen Gruppen, auch wenn ich oft den Lehren des Rabbi Nachman einen Vorzug zu geben scheine.

Aber zurück zur vielfältigen Realität, denn am Freitag abend (Erev Schabbat) war ich in Mea Shearim eingeladen. Meine Gastgeberin legte erneut hohen Wert darauf, nicht im Internet genannt zu werden, was ich respektieren. Nur soviel, dass ziemlich viele Gäste anwesend waren und ich mit einer neben mit sitzenden Frau ins Gespräch kam.

Die Dame war ca. 60 Jahre alt und schaute äußerlich aus wie eines der weiblichen Mitglieder der extremen chassidischen Gruppe Toldot Aharon (in Mea Shearim). Obwohl mir klar war, dass sie nicht dazugehören konnte, denn sonst hätte sie kaum bei uns zum Abendessen gesessen, fragte ich sie beiläufig nach ihrer Zugehörigkeit. Woraufhin sie mir eine eindeutige Antwort gab, zu keiner bestimmten Gruppe zu gehören. Sie ziehe sich halte gerne so an, das sei alles.

Und dann begann sie mir ewig lange einige Stellen aus den Propheten und anderen Schriften zu zitieren. Dazu folgte eine Story über die Mutter der derzeitigen Rebbes der chassidischen Gruppen Toldot Avraham Yitzchak (Rebbe Shmuel Yaakov Kahn) sowie dessen Bruder, des Toldot Aharon Rebben, Rabbi David Kahn.

Deren Mutter habe als junges seinerzeit noch unverheiratetes Mädchen auf einer Aussichtsplattform gestanden als plötzlich eine Jugendgruppe mit Kibbutzkindern kam. Die Jugendgruppe sei höchst unanständig angezogen gewesen. "Wie das im Kibbutz halt nun mal so sei", bemerkte die Frau. Jedenfalls ging das damalige junge Mädchen (die spätere Mutter der Rebben) aus diversen Gründen von der Plattform. Kurz darauf stürzte die Plattform samt der Kindergruppe ein.

Und nun die Behauptung meiner Tischnachbarin:
Das sei ja alles nur wegen des fehlenden Kleidungsanstandes geschehen. Fehle der nämlich, dann ziehe G - tt seine Schechinah (Präsenz) zurück und somit sei der Weg für Unglücke freigegeben.

Okay, ich kann in der Behauptung irgendwo noch einen Sinn erkennen. Warum nicht ?

Dennoch weigere ich mich zu akzeptieren, dass das angebliche Unglück geschah, weil die Kibbutzjugend keine anständige Kleidung trug. Solch Behauptungen und Theorien sind mir grundlegend zuwider. Und nun setzte ein Disput mit der Frau ein.
"Ja, wie ich denn das nicht glauben könne und das stehe ja alles in den Propheten".

Irgendwie mag sie ja recht haben, doch glaube ich nicht, dass wir Menschen in der Lage sind, alle Geschehnisse dieser Welt zu deuten. Dies allein kann nur G - tt und wenn ich das auch könnte, wäre ich folglich Er.

Ich sagte der Frau, dass es zwar so gewesen sein könnte, wir jedoch nicht mit absoluter Gewißheit bestimmen können, warum was geschieht. Die Frau gab auf und redete nicht mehr mit mir. Stattdessen sprangen alle anderen Tischnachbarn auf das Thema an. Ein paar nationalrelig. Mädels und zwei junge Amerikanerinnen. Alle waren meiner Meinung, aber die Frau gab nicht auf.

Von mir aus kann jemand behaupten, was er will, nur sollte sich derjenige im Klaren sein, dass wir keineswegs in der Lage sind, G - ttes Handlungen zu begreifen. Natürlich fragen wir uns in gewissen Situationen, warum dies oder jenes geschieht. Aber passiert das nicht aus einer Unerklärbarkeit heraus. Wir suchen nach Antworten und so geben wir uns menschliche Logiken.

Danach holte ich eine Freundin, welche im Hause der Machlises gegessen hatte, zu unseren gemeinsamen chassidischen Tischbesuchen ab. Schon auf meinem Weg zum Machlis - Haus sah ich ungewöhnlich viele Toldot Aharon sowie Avraham Yitzchak Chassidim durch die Straßen laufen und mir war klar, dass bei jenen Gruppen chassidische Tisch der Rebben anstanden. Und so war unser erstes Ziel dann auch die Gruppe Toldot Aharon.

Und hier kam es gleich zu einem unvorhergesehenen Vorfall.
Wir traten ins Treppenhaus und sahen einen jungen litvischen Haredi die Treppe hinaufsteigen. Wohlgemerkt, der Haredi befand sich im Fraueneingang des Gebäudes, was doch recht merkwürdig war. Ich versuchte ihn zu warnen, dass er um das Gebäude herumgehen müssen, und dann dort auf der anderen Seite den Männereingang fände. Den Haredi interessierte das jedoch nicht und er schaute nur wirr drein.

Er stieg die Treppe hinauf und auf dem Weg nach oben liessen ihn die Toldot Aharon Frauen wissen, dass er sich im falschen Trakt befände.

Nichts. Der Haredi ließ sich nicht stören.
Vor uns trat er in den Raum mit den Metallbänken, auf denen ca. 100 Frauen sassen. Sie alle schauten den sich im Erdgeschoß befindenden Chassidim und Rebbe David Kahn zu.

Als die Frauen den Litvischen erblickten, riefen sie ihm zu, dass er verschwinden solle.

Wieder nichts. Der junge Haredi stand nur verwirrt da.

Ich erklärte ihm nochmals den Weg zum Männereingang und erschaute mich mit mit großen Augen an: "Ich weiß nicht", sagte er und setzte sich.

Einer Frau reichte es und sie lief die Treppen hinunter. Ich wußte, was jetzt gleich folgen würde, denn die Frau wollte offenbar männliche Hilfe holen, um den Eindringling fortzuschaffen.

Nun kam eine weitere Frau auf mich zu und fragte, wer denn der junge Haredi sei.

"Offensichtlich etwas verwirrt, meinte ich".
Und dann kam auch schon einer der Toldot Aharon Chassidim hineingeschossen, um den jungen Mann zu entfernen.
Meine Freundin meinte hinterher, dass der junge Typ sei ja total zugekifft gewesen sei.
Naja, wer weiß.

Nach dem Zwischenfall setzten wir uns inmitten der Mitgliederfrauen und sogleich redete mich eine chassidische Frau an. Ich schätze, dass sie den Satmarer Chassidim angehörte. Ihr Wortschatz bestand nur aus Englisch und Jiddisch und wir begannen eine recht nette Konversation. Überhaupt war die Stimmung bei den Toldot Aharon sehr angenehm und wenn wir nicht so müde gewesen wären, hätten wir auch bis zum Schluß durchgehalten. Aber so machten wir uns auf den Heimweg.

Mittendrin landeten wir jedoch trotzdem noch auf eine halbe Stunde beim Tisch der Chassidut Avraham Yitzchak. Dort verfiel ich in ein kleines Nickerchen, und wir beschlossen, nun endgültig heimzugehen. Wenn nur nicht immer die Müdigkeit dazwischenkäme……

An diesem Donnerstag abend beginnt Lag Ba'Omer und ich werde in Jerusalem bzw. in Mea Shearim sein, um dem dortigen Treiben zuzuschauen.

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Der Drang nach Kommunikation

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