Freitag, Mai 09, 2008

Raus aus der Heiligen Stadt

B"H

Viele Male zuvor erwähnte ich bereits, dass mein größtes Ziel im Leben die Rückkehr in die haredische (ultra – orthod.) Gesellschaft ist. Dieses hat für mich äußerste Priorität. Mein größtes Problem, welches diesen Prozeß verhindert bzw. verzögert ist meine fehlende Zugehörigkeit a la "In welchen Rahmen passe ich".

Chassidim hegen den Drang zur gnadenlosen Identifizierung:
Wo gehörst Du hin ? Bist Du Breslov, Satmar, Vishnitz, Zanz oder was ? Wer ist Dein Rebbe ? Wessen Erlässen oder Bräuchen folgst Du ?

Viele Male zuvor erwähnte ich bereits, dass ich keine Person bin, die sich ausschließlich nur für eine einzige chassidische Gruppe entscheidet. Früher dachte ich einmal, dass Satmar das Richtige für mich sei. Heute hingegen würde ich noch nicht einmal mehr zu Satmar gehen, denn der Streit zwischen den beiden Rebbes stört mich gewaltig.

Viele Male zuvor erwähnte ich bereits, dass ich vor einigen Jahren die haredische Gesellschaft aufgrund einer persönlichen Krise verließ. Nach einer kurzen Zeit des "gar nichts tuns" entschloß ich mich jedoch zu einer Rückkehr. Und seitdem arbeite ich daran. Nichtsdestotrotz gibt es mehrere Dinge, die mich auch wieder davon abhalten, was mich mehr als nur stört. Ich stehe dem oft ziemlich hilflos entgegen.

So mancher mag das nun die Yetzer HaRah (die negative Seite in uns) nennen, welche mich mit allen nur möglichen Argumenten von einer Rückkehr abhalten will. Eine innere Stimme sozusagen, die mir zuflüstert, dass ich eh wieder nur in einer weiteren Krise enden täte: "Das haredische Leben ist nichts für Dich. Du hast es versucht, ganz toll, netter Versuch, aber besinne Dich jetzt lieber auf die Realität und setze Deine früheren Wege fort".

Das letzte der Argumente kann und will ich nicht so akzeptieren. Jemand, der vorher einmal ein haredisches Leben geführt hat und sich nun auf "weniger relig. Pfade" begeben hat, verliert niemals seine mentale Verbindung zur relig. Welt. Selbst vor dem Essen kommt es sofort in einem hoch, einen Beracha (Segen) über das Essen sagen zu wollen. Das geschieht ganz unbewußt und ohne, dass man es vielleicht will. Ob derjenige letztendlich den Beracha macht oder nicht, ist seine Sache. Dennoch kann keiner den Gedanken daran verhindern, denn ganz plötzlich kriecht er einem ins Hirn.

Vor einigen Wochem entschloß ich mich, von Jerusalem nach Tel Aviv zu ziehen; mit Nähe zum haredischen Bnei Brak versteht sich. In Jerusalem erscheint derzeit alles irgendwie festgefroren. Ständig sehe ich dieselben Leute, gehe zu denselben Schiurim (relig. Vorträge) und denselben Rabbis. Momentan tut sich kein Weg der Verbesserung auf. Ich will weiterkommen, aber ausgerechnet Jerusalem scheint mit gerade jetzt der falsche Ort dafür zu sein.
Selbstverständlich wird es auch an einem neuen Ort nichts anderes werden. Irgendwie ist man ja immer mehr oder weniger festgefahren im Leben. C'est la vie !
Überall gewöhnt man sich ein und nach einiger Zeit kommt eine gewisse Routine auf. Das Leben ist keine Wild West Show, wo sich jede Minute etwas verändert. Manchmal schon, aber an der Tagesordnung ist es nicht.

Ich denke, dass mein zweites großes Problem, welches mich von einer Rückkehr ins haredische Leben abhält, meine früheren Erfahrungen sind. Ängste, die gleichen Fehler zu machen. Vielleicht nicht alle Fehler, doch einige schon.

Ich bin so ziemlich das, was man kreativ nennt und ich brauche Leute um mich herum, die mitdenken. Nicht gerade Mr. & Mrs. Nobelpreisgewinner, aber immerhin Leute mit Verstand. Und ob es jemand glaubt oder nicht, diesen Menschentyp fand ich ausgerechnet in Tel Aviv. Die Jerusalemer erscheinen gegenüber den Tel Avivern zu festgefahren, was man auch selber zugibt. Wer alles nicht diesen oder jenen Weg macht, der gilt als Außenseiter. Viele Male gleicht das Leben in Jerusalem einem Dorfleben. Nichts tut sich und die Leute haben Holzschädel. Kommt jemand aus dem Dorf in die Großstadt, tut sich erst dann die neue Sichtweise auf, die da Freiheit und Toleranz lauten mag.

Mein Ziel ist es, in Tel Aviv viele meiner persönlichen Charaktereigenschaften versuchen unter einen Hut zu bringen. Sobald ich in der haredischen Gesellschaft bin, verspüre ich oftmals die Angst, eine dieser Eigenschaften zu verlieren. Daher will ich das offene Leben der Intelligenz mit dem haredischen Leben verbinden.
Klingt das jetzt schizophren ?
Vielleicht. Nichtsdestotrotz bin ich überzeugt, dass diese zwei Dinge nebeneinander existieren können.
Ich betrachte es ganz und gar nicht so als ob ich mich damit dem Leben nach der Yetzer (negative Seite in uns) hingeben täte.
Warum sollte ich ?
Und war es nicht G – tt, der uns alle mit unterschiedlichen Charaktereigenschaften erschuf ?
Und eine Menge meiner Charaktereigenschaften passen nun einmal nicht in die haredische Welt.
Oder hat Kreativität einen Platz in der haredischen Welt.
Vielleicht gibt es heutzutage mehr davon als noch vor einigen Jahren. Die Dinge ändern und verbessern sich. Aber der Wechsel dauert lange und manchmal eben zu lange.

Das ist der Grund für meinen Umzug. Eben weil ich unterschiedliche Dinge miteinander kombinieren will.
Ich habe keine Ahnung, ob das Unternehmen von Erfolg gekrönt sein wird, aber ist nicht immer der beste Part im Leben die Suche selbst ?
So, I keep on trying.

1 Kommentar: