Donnerstag, September 10, 2009

Parashat Nitzavim - Vayeilech

Photo: Safed Blog


B"H

Die Thoralesung für diesen Schabbat

Morgen abend (Freitag) beginnt der Schabbat vor Rosh HaSchana (jüd. Neujahrsfest) und wir lesen gleich zwei Thoraparashot: Zum einen "Nitzavim" und zum anderen "Vayeilech".

In der Parashat Nitzavim, welche weltweit stets am Schabbat vor Rosh HaShana in den Synagogen gelesen wird, werden die Israeliten aufgerufen:
"Ihr steht heute alle vor A - do - nai E - lo - heichem (vor Eurem G - tt)….", (mit diesem Satz beginnt die Parashat Nitzavim). Auch in diesem Satz finden wir die Erwähnung zweier Namen G - ttes, welche zum einen den gütigen vergebenden G - tt, aber zum zweiten auch den richtenden G - tt darstellen.

Am letzten Tag seines Lebens versammelte Moshe nochmals alle Stämme vor sich, um alle an den Bund mit G - tt zu erinnern. Nitzavim wird stets vor Rosh HaShana gelesen, denn nicht nur damals zu Moshes Zeiten standen die Juden vor G - tt, sondern wir tun dies heute genauso (Baer Moshe). Das "Heute" in der Thora bedeutet nicht nur das "Heute" in der Vergangenheit. Die Thora ist bis in alle Ewigkeiten gültig und somit hat alles auch einen Bezug auf uns. Wie damals die Israeliten, so werden auch wir an Rosh HaShana vor G - tt stehen und über unsere Taten des letzten Jahre Rechenschaft ablegen müssen.

Die Thora ist nicht nur irgendein Geschichtsbuch mit netten Stories darin. Wenn wir die Inhalte genauer unter die Lupe nehmen, stellen wir fest, dass mache Aussagen in der Zukunftsform geschrieben sind. Darunter auch das berühmte "Az Yashir Moshe - Dann sang Moshe" (nach dem Auszug aus Ägypten). Ist das "Az Yashir Moshe" tatsächlich nur auf den damaligen Augenblick bezogen oder weist es uns nicht auch auf ein Event in der Zukunft hin ?

Nicht nur jene Juden, die damals persönlich vor Ihm standen, gingen den Bund mit Ihm ein und verpflichteten sich zur Einhaltung der Thora. In Nitzavim heißt es ebenso, dass jene nachfolgenden Generationen, die nicht persönlich anwesend waren, sich gleichzeitig zur Einhaltung des Bundes verpflichten. Mit den Generationen, die nicht anwesend waren, sind all jene gemeint, die erst danach geboren worden sind. Bis hin in unsere Zeit (siehe Raschi).
Der Thorakommentator Sforno legt die Bedeutung des Satzes so aus, dass die Älteren verpflichtet sind, ihre Kinder zu unterrichten. Die Zukunft des Judentums hängt immer von der jüdischen Bildung ab. Schon im frühen Alter soll einem Kind Thoraunterricht erteilt werden. Wenn Juden eine neue Gemeinde gründen, dann wird noch vor der Synagoge eine Schule für die Kinder gebaut. Es ist äußerst wichtig, dass ein Kind von kleinauf das Judentum erlernt und sich so der Rolle seiner jüdischen Identität bewußt wird.

Die Gemara im Talmud Traktat Niddah 30b lehrt, dass wir alle vor unserer Geburt als Embryo die Thora im Mutterleib gelehrt bekommen. Sobald aber ein Baby das Licht der Welt erblickt, kommt ein Engel und gibt, bildlich gesprochen, dem Baby einen Klapps auf den Mund, was zur Folge hat, dass das Baby nach der Geburt die gesamte Thora wieder vergißt (siehe Midrasch). Unsere Lebensaufgabe besteht dann darin, sie wieder neu zu erlernen.

Die Gemara im Talmud Traktat Shabbat 146a wirft eine interessante Frage auf: Was ist eigentlich mit den Konvertiten zum Judentum, die nicht am Berg Sinai gestanden und die Thora erhalten haben ?
Die gleich anschließende Antwort lautet, dass diese zwar nicht persönlich anwesend waren, dennoch aber ihr "Mazal" dort war. Ein "Mazal" ist an dieser Stelle ein persönlicher Engel eines jeden, der die Person beim Himmlischen Gericht vertritt. Die Person war selber nicht dort, doch ein Engel hat sie sozusagen vertreten.

Und wieder warnt uns die Thora vor dem Götzendienst. Nach der Überquerung des Jordan und der Einnahme des Landes soll man sich keinesfalls anderen G - ttern zuwenden. Immer und immer wieder wiederholt G - tt dieses Verbot in Seiner Thora. Kein Gesetzesbruch wird von Ihm so streng geahndet wie der Götzendienst. Die Thora verpflichtet uns, nur an Ihn zu glauben und uns nicht von unserer Umwelt von anderen fremden Ideen oder falschen Thorainterpretationen verleiten zu lassen.

"Wenn Ihr die Mitzwot (Gesetze) einhaltet, dann bleibt ihr in dem Land, welches Ich euch gegeben habe und wenn nicht, dann wird Mein Zorn auf euch lasten und ihr werdet das Land verlieren, in die Diaspora gehen, wo fremde Völker über euch herrschen. Wenn ihr jedoch Buße tut (Teschuva) und die Mitzwot einhaltet, dann werde Ich Gnade zeigen und euch wieder in euer Land zurückführen".

Aus diesen Sätzen lernen wir, dass G - tt selbst in der Diaspora immer bei uns sein wird und uns niemals verläßt.
Rabbi Shimon bar Yochai sagte: "Kommt und seht wie sehr G - tt die Israeliten liebt ! Wo immer sie sich auch in der Diaspora befinden, G - ttes Anwesenheit (Schechinah) ist stets mit ihnen (siehe hierzu den Talmudkommentator Maharsha). Und G - tt wird sie aus der Diaspora zurück nach Israel führen" (siehe Talmud Megillah 29a).
Wenn wir Juden Seine Gesetze nicht befolgen, werden wir in die Diaspora verbannt. Sobald wir jedoch Teschuva (zu G - tt umkehren) machen, wird G - tt uns Gnade erweisen und in das Land, welches unsere Vorväter besessen haben, zurückführen. Nach Israel zurückführen, damit wir das Land besitzen. Vielleicht sollten gerade diejenigen, die immer so gerne behaupten, Juden hätten das Land den Palästinensern gesetzteswidrig weggenommen, einmal diese deutlichen Sätze der Thora näher zu Gemüte führen (Deutoronomy 30:5 + 30:16).

Zu Zeiten der zwei Tempel, war G - ttes Anwesenheit (Schechinah) für alle deutlich spürbar. Vor allem zu Zeiten des Ersten Tempels waren allerlei Wunder für jedermann sichtbar. Nach den Zerstörungen ist das nicht mehr der Fall und G - tt hat sich etwas weiter von der Welt zurückgezogen. Ganz verlassen aber tut Er uns nie. Durch den sogenannten TIKUN OLAM, eine Reparation der eigenen Seele und der Welt anhand der Erfüllung von Mitzwot, sind wir jederzeit in der Lage, den jetzigen Zustand zum Positiven zu verändern. Viele sehen die Gründung des Staates Israel schon als Einleitung zum hoffentlich baldigen perfekten Tikun Olam und der Ankunft des Meschiach.

Zu jeder Zeit können wir zu G - tt umkehren (Teschuva machen) und nicht nur an Rosh HaShana. Allerdings ist Er im Monat Elul und in der Zeit bis Yom Kippur leichter und offener erreichbar und zugänglich als zu anderen Zeiten. An Rosh HaShana beten wir im Morgengebet Shacharit das Gebet "HaMelech", in dem wir G - tt zu unserem König krönen.
In "HaMelech" heißt es metaphorisch, dass G - tt auf Seinem Thron sitzt und uns richtet. Wörtlich zu nehmen ist dies nicht und "sitzen" bedeutet, dass G - tt sich zu uns "niederbeugt" bzw. "herabläßt" und so unseren Gebeten näher entgegenkommt und uns gnädig richtet. Wann immer die Juden sich mit ihren Gebeten an G - tt wenden, ist Er nahe bei ihnen erhört sie. Unsere Gebet haben die Macht, jegliches negatives G - ttesurteil in etwas Positives umzuwandeln. So auch an Rosh HaShana (siehe Talmud Rosh HaShana 18a).
Aller negativen Aussagen zuwider, der Baal Shem Tov war der Meinung, dass Baalei Teshuva (jene Juden, die erst im späteren Verlauf ihres Lebens religiös geworden sind) einen höheren Level besitzen als jene Juden, die von Geburt an relig. aufwuchsen. Zu diesem Thema hatten wir vor wenigen Wochen eine sehr lange intensive Diskussion und zwei ganz unterschiedliche Meinungen sind hier im Judentum vertreten. Zum einen, dass Baalei Teshuva niemals den Level eines frommen Juden erreichen können, der halt so geboren wurde, da die säkuleren Eltern eines Baal Teshuva im Verdacht stehen, die halachisch vorgeschriebenen Familienreinheitsgesetze (Taharat HaMishpacha) mißachtet zu haben und so eventuell ein Kind in einem unreinen Zustand gezeugt zu haben. Andererseits bestehen viele offizielle Ansichten, dass eben, wie der Baal Shem Tov sagte, Baalei Teshuva sich nach einer aufrichtigen Umkehr zu G - tt auf einem höheren Level befinden als alle anderen. Und wenn wir nur Rabbi Akiva, dessen Eltern als säkulere Konvertiten zum Judentum lebten, sowie den talmudischen Rabbi Me'ir anschauen, dann kann diese Meinung durchaus ihre Richtigkeit haben.

Noch ein kleiner Hinweis zu Rosh HaShana:
Es reicht nicht aus, dass wir auf intellektueller Basis wissen, dass es einen G - tt gibt. Die Mitzwot und Gebete sollen nicht nur intellektuell ausgeführt werden, sondern auch emotional. Nur, wenn alles vom Herzen kommt, kann es zu einer wirklichen Teshuva (Teshuva) kommen.

Wichtig ! : Am Schabbatausklang (Mozzaei Schabbat) beginnen die aschkenazischen Juden mit ihren Selichot - Gebeten vor Rosh HaShana ! Insbesondere an der Jerusalemer Klagemauer (Kotel) werden sich in dieser Woche Tausende Juden versammeln und die Nacht hindurch beten.

Die sephardischen Juden begannen schon gleich nach dem Monatsbeginn Elul mit den Selichot.

Sepharadim bei den Selichot


Schabbat Schalom

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